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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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glaube ich. Stimmt das?«
    »Ja.« Ich hatte Aaron Herzl alles erzählen wollen, aber das war gar nicht nötig. Er wusste schon alles.
    »Marc«, sagte er. »Du willst dir jetzt vielleicht mehr von der Seele reden, als es für dich gut wäre. Als es für uns beide gut wäre. Aber wir sollten uns wirklich nur auf die Fakten beschränken. Deshalb bitte ich dich nochmals nachdrücklich, meine Fragen nur mit Ja oder Nein zu beantworten. Auf meinem Schreibtisch landete einmal ein Fall, der nur indirekt etwas mit der Ärztekammer zu tun hatte. Es ging um einenMann, der sich an einem zwölfjährigen Mädchen vergangen hatte. Der steif und fest behauptete, sie hätte es ›toll‹ gefunden. Das behaupten sie alle. Wir Mediziner wissen es natürlich besser. Es ist ein Defekt. Ein defektes Produkt wird aus dem Handel gezogen. So müsste es jedenfalls sein. Aber schön, ich schweife ab. War es so etwas, Marc? Nur Ja oder Nein bitte.«
    »Ja.«
    »Dann hast du getan, was getan werden musste. Du hast getan, was jeder Vater tun sollte.«
    »Ja«, sagte ich wieder, obwohl Herzl mir eigentlich keine Frage gestellt hatte.
    »Es versteht sich, dass du der Ärztekammer nicht mit diesem Standpunkt kommen kannst. Die interessiert sich nicht für Väter mit gesunden Instinkten. Ich könnte Fahrlässigkeit ins Feld führen, aber die Fakten sprechen doch eine zu deutliche Sprache. Es geht hier nicht um eine Suspendierung von ein paar Monaten, Marc. Eher um den Entzug der Approbation. Wenn nicht noch mehr. Ich meine strafrechtliche Folgen. Das willst du doch deiner Familie nicht antun. Das willst du doch bestimmt deiner Tochter nicht antun.«
    »Was dann?«, fragte ich. »Was soll ich denn machen?«
    Professor Aaron Herzl seufzte laut.
    »An erster Stelle darfst du morgen früh nicht erscheinen. Das macht alles nur noch schlimmer. Persönlich würde ich dir raten, ganz zu verschwinden. Wortwörtlich. Ins Ausland. Ich würde heute noch eine Entscheidung treffen, Marc. Besprich es mit deiner Familie. Pack deine Siebensachen. Fang anderswo von vorne an. Wenn du Referenzen brauchst, nimm Kontakt mit mir auf. Ich kann dir helfen. Aber im Moment sind mir die Hände gebunden.«
    Nach dem Gespräch saß ich einige Zeit unschlüssig an meinem Schreibtisch. Ich könnte meine Assistentin die Patienten nach Hause schicken lassen. Ich brauchte Zeit zum Nachdenken. Andererseits konnte ich auch nachdenken, während ich dem uferlosen, sinnleeren Gequassel eines Patienten zuhörte. Besser sogar.
    Ich drückte auf die Sprechanlage.
    »Liesbeth, schick den ersten Patienten rein. Ich bin so weit.«
    Ich musste mich normal verhalten. Ich musste den Schein wahren. Ich blickte auf die Uhr an der Wand. Zehn nach zehn. Es war noch Zeit genug.
    Aber als mein erster Patient gerade Platz genommen hatte, gab es vor der Tür zu meinem Sprechzimmer einen ziemlichen Aufruhr. »Doktor«, hörte ich meine Assistentin rufen. »Doktor!« Ich hörte einen Stuhl zu Boden poltern und dann eine andere Stimme.
    »Wo bist du, du Schwein?«, kreischte sie. »Komm raus, oder bist du zu feige?«

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51
    Ich blätterte in der Akte und tat, als suchte ich etwas. Es war nicht Ralph Meiers Akte, sondern irgendeine x-beliebige, die ich aus dem Schrank gefischt hatte: nicht zu dick, nicht zu dünn. Von Ralph Meier gab es keine Akte.
    »Hier steht es«, sagte ich. »Ralph war voriges Jahr Anfang Oktober hier. Er wollte nicht, dass du etwas erfährst. Du solltest dir nicht unnötig Sorgen machen.«
    Ich sah Judith an, aber sie wendete sofort den Blick ab, schnaubte verächtlich und trommelte mit den Fingern auf der Stuhllehne.
    »Zuerst habe ich auch gedacht, es wäre nichts. In den meisten Fällen ist es auch so. Okay, er sei müde, sagte er. Aber das kann auch andere Gründe gehabt haben. Er arbeitete viel. Er arbeitete immer viel.«
    »Marc, verschone mich mit deinen Ausflüchten und Entschuldigungen. Dr. Maasland hat mir alles gesagt. Du hättest den Eingriff nicht machen dürfen und damit basta! Und außerdem weiß die Ärztekammer noch gar nicht, dass du ihm das Dreckszeug verschrieben hast, das die Symptome unterdrückte. Dass er diese Pillen schluckte, habe ich erst gemerkt, als ich sie zufällig in einem Fach seines Koffers fand. Er hat mir dann alles gebeichtet. Und von wem er die Pillen hatte.«
    »Judith, er war müde . Übermüdet. Er hatte zwei Monate Dreharbeiten vor sich. Ich habe ihm gesagt, er soll keinenRaubbau mit seiner Gesundheit treiben. Dass es nur für diese zwei
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