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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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gerechnet, warum ich am Dienstag nicht erschienen sei. Aber niemand hatte sich gemeldet. Am Freitag hatte ich dann selber angerufen und von einer Sekretärin zu hören bekommen, die laufenden Angelegenheiten seien alle »bis nach den Herbstferien verlegt« worden. »Wie war noch mal Ihr Name? Dr. Schlosser … Richtig, hier hab ich es. Sie stehen mit einem roten Pfeil im Computer. Das bedeutet, dass Ihre Sache vorrangig behandelt wird. Aber entschieden wird sie frühestens in der Woche nach den Herbstferien. Sie werden noch eine Vorladung erhalten.«
    Am nächsten Tag waren wir nach Los Angeles geflogen. Stanleys Angebot, uns abzuholen, hatte ich abgelehnt. Mit unserem Mietwagen waren wir in weniger als zwei Stunden über den Highway 1 nach Santa Barbara gefahren.
    Die ersten Tage taten wir so gut wie gar nichts. Wir rekelten uns am Swimmingpool und schlenderten durch die Einkaufsstraßen. Wir aßen wieder Krabben auf der Mole.
    »Man macht sich ja so seine Gedanken«, eröffnete mir Stanley am dritten Tag. Wir saßen in einem Fischrestaurant am Meer. Die Sonne war gerade untergegangen. Caroline, Emmanuelle, Julia und Lisa machten einen Spaziergang am Strand. Stanley nahm die Weißweinflasche aus dem Kühler und schenkte uns nach. »Das Mittsommerfest voriges Jahr. Die Sache mit den Mädchen an der Bar, weißt du noch? Ralph, wie er sich mit der Norwegerin geprügelt hat. Wir haben uns dann aus den Augen verloren. Und dann passierte das mit deiner Tochter … Wie gesagt, man macht sich so seine Gedanken. Nach den Sommerferien wird Ralph krank. Sterbenskrank. Ein Jahr später ist er tot. Ich bin kein Arzt. Ich weiß nicht, wie das medizinisch möglich ist, aber du kannst mir das ja vielleicht erklären.«
    Ich schwieg, lächelte nur und nahm einen Schluck Wein.
    »Weißt du, Marc. Wir haben doch letztes Jahr Augustus gedreht. Ich hatte auch Emmanuelle eine kleine Rolle gegeben. Sie spielte eine der illegitimen Töchter des Kaisers. Nach ein paar Tagen kam sie zu mir und sagte, sie wolle nicht mehr. Sie könne es nicht ertragen, wie Ralph sich ihr gegenüber verhalte. Wie er sie anschaue. Während der Aufnahmen, aber auch sonst. Ich habe dann mit Ralph geredet und ihm zu verstehengegeben, dass er damit aufhören muss. Er tat so, als wäre alles nur Spaß gewesen. Emmanuelle würde furchtbar übertreiben. Aber er hat damit aufgehört. Und ich musste Emmanuelle allerdings versprechen, dass sie nach den Dreharbeiten nie mehr etwas mit ihm zu tun haben würde.«
    Es war verlockend, Stanley, wenn nicht alles, so doch einen Teil zu erzählen. Ich hatte fast eine ganze Flasche Wein getrunken. Eine schöne Geschichte, dachte ich. Ich könnte eine schöne Geschichte daraus machen.
    »Ralph war in der Hinsicht total gestört«, sagte Stanley. »Wie der mit Frauen umging. Na ja, wir haben es ja mit eigenen Augen gesehen. Also, an sich finde ich es gar nicht so schlimm, dass er nicht mehr da ist. Ich bin einfach nur neugierig. Obwohl es mir eigentlich unwahrscheinlich vorkommt, dass er Julia … Er konnte ja nach deinem Tritt kaum laufen, weißt du noch? Aber das ist nicht der springende Punkt. Vielleicht war er für dich der Schuldige. Also hast du etwas unternommen. Vielleicht am selben Abend noch …«
    Fast richtig , hätte ich beinahe gesagt.
    »Lass deiner Fantasie freien Lauf«, sagte ich.
    Stanley starrte mich ein paar Sekunden lang an. Dann brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Sehr gut, Marc! Nein, wirklich. Sag nichts mehr. Du hast meine Frage mehr als ausreichend beantwortet.«
    An dem Nachmittag hatten wir uns die Fotos angesehen, die Stanley im Sommerhaus gemacht hatte. Ich hatte mich beiläufig danach erkundigt. Ob er noch mehr Fotos habe als die, die ich schon von seiner Webseite kannte.
    Wir saßen an seinem Schreibtisch, er hatte die Jalousien gegen das grelle Sonnenlicht heruntergelassen und klickte sich durch die Bilder.
    Caroline und Emmanuelle waren am Swimmingpool geblieben. Lisa und Julia lehnten rechts von Stanley am Schreibtisch, ich saß links von ihm auf einem Hocker.
    Unauffällig beobachtete ich Julia, als die Fotos mit dem Klempner erschienen; auf einem, das ich noch nicht kannte, stehen sie sich gegenüber, Julia gibt mit der Hand über seinem Kopf den Größenunterschied zwischen ihnen an. Beide lachen.
    Ich wartete darauf, dass Julia zur Seite schaute. Zu mir. Schon seit Wochen wartete ich auf diesen Augenblick. Dass sie mir in die Augen sah. Aber mit der Zeit zweifelte ich immer mehr
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