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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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Gesellschaft als krank abgestempelt würde, einen Psychologen davon überzeugen, dass ich geheilt sei? Ich glaube schon. Aber sobald ich wieder auf freiem Fuß wäre, würde ich innerhalb von vierundzwanzig Stunden in die alte Gewohnheit zurückfallen.
    Ich will mich nicht auf eine höhere moralische Stufe stellen als die Männer, die sich zu kleinen Mädchen hingezogen fühlen. Alle Männer fühlen sich zu kleinen Mädchen hingezogen. Auch das ist die Biologie. Wir betrachten sie unter dem Aspekt der Fortpflanzung: Sind sie in absehbarer Zeit in der Lage, den Fortbestand der menschlichen Art zu sichern?
    Doch etwas anderes ist es, ob man der Anziehungskraft nachgibt. Es gibt Warnsignale: Bei kleinen Mädchen stehen alle Signale auf Stopp. Hände weg! Wer sich nicht bremst, richtet Schaden an.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn Sie sich wieder hinsetzen«, sagte ich zu dem Komiker.
    Er zog sich die Hose hoch, blieb aber auf dem Behandlungstisch sitzen und reichte mir ein weißes Taschentuch.
    »Hier, frisch gewaschen«, sagte er augenzwinkernd.
    »Entschuldigung.« Ich schnäuzte mir die Nase. »Wenn Sie ein anderes Mal … Ich kann Ihnen auch eine Überweisung geben.«
    »Wenn Sie das Bedürfnis haben zu reden, ich habe Zeit.«
    Er breitete die Arme aus. Ich betrachtete sein rundes, offenes Gesicht. Ich erzählte es ihm. Ich erzählte ihm alles. Nur ein paar Details ließ ich weg. Mit Blick auf die Zukunft. Meiner Pläne für die Zukunft.
    »Und Sie haben noch immer keine Ahnung, wer es gewesen sein könnte?«, fragte er, als ich fertig war.
    »Nein.«
    »Scheiße. Wer so was macht, den sollte man doch …«
    Er beendete den Satz nicht, aber das war auch nicht nötig. Ich dachte an den Topf mit den Muscheln, an die Muscheln, die nicht aufgehen.

[Menü]
48
    Auf dem Rolltisch neben Ralphs Bett standen das Schnapsglas mit dem tödlichen Cocktail und ein halb leerer Becher Obstjoghurt, in dem noch der Löffel steckte, daneben die Morgenzeitung und eine Shakespeare-Biografie, in der er zuletzt noch gelesen hatte. Nach dem Lesezeichen zu urteilen war er nicht über die Hälfte hinausgekommen. Er hatte Judith gebeten, mit ihren Söhnen kurz aus dem Zimmer zu gehen.
    Als sie weg waren, winkte er mich zu sich.
    »Marc.« Er nahm meine Hand, zog sie aufs Bett und legte seine andere obendrauf.
    »Ich möchte dir sagen, dass es mir leidtut. Ich hätte nicht … ich hätte nie …« Er machte eine Pause. »Es tut mir leid. Das wollte ich dir noch sagen.«
    Ich betrachtete sein abgemagertes und gleichzeitig aufgedunsenes Gesicht. Seine Augen, die mich jetzt noch wahrnahmen, aber in gut einer Stunde überhaupt nichts mehr wahrnehmen würden.
    »Wie geht es … ihr?«, fragte er.
    Ich zuckte mit den Achseln.
    »Marc«, sagte er. Ich fühlte den Druck seiner Hand. Viel Kraft hatte er nicht mehr. »Kannst du ihr sagen … von mir … kannst du ihr sagen, was ich dir gerade gesagt habe?«
    Ich wandte den Blick von ihm ab; ohne Mühe zog ich meine Hand zwischen seinen beiden Händen heraus.
    »Nein«, sagte ich.
    Er seufzte tief, schloss kurz die Augen und öffnete sie wieder.
    »Marc, ich habe lange überlegt, ob ich es dir erzählen soll. Ich dachte, vielleicht bin ich ja die letzte Person, von der du so etwas hören willst.«
    Ich sah ihn an. »Wovon redest du?«
    »Von deiner Tochter, Marc. Von Julia.«
    Unwillkürlich sah ich zur Tür und dann zu dem Schnapsglas neben dem Bett. Ralph folgte meinem Blick.
    »Ich bin schließlich zu dem Schluss gekommen, dass du es wissen musst. Es ist vielleicht ein bisschen spät, aber ich habe es auch erst vor Kurzem erfahren. Vor ein paar Wochen, um genau zu sein.«
    Eine halbe Sekunde lang dachte ich, er wüsste über mich und Judith Bescheid, dass sie ihm alles gebeichtet hatte und dass er uns alles Glück der Welt wünsche. Aber er hatte doch eindeutig von meiner Tochter gesprochen. Von Julia.
    »Alex hat mich angefleht, es niemandem zu verraten. Er weiß, dass ich nicht mehr lange zu leben habe, deshalb hat er sich mir anvertraut. Er müsse es einfach loswerden, sagte er, er würde verrückt, wenn er es noch länger für sich behalten würde. Seine Mutter weiß nichts davon. Nur er. Und Julia.«
    Ich dachte an die Nacht am Strand zurück. An Alex’ Verhalten, als er Judith und mich bei der anderen Strandbar getroffen hatte. Er verbirgt etwas, hatte ich damals gedacht. Er hat nicht alles gesagt.
    »Erinnerst du dich noch an den Klempner, der ein paarmal vorbeikam, als der Tank auf
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