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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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dem Dach verstopft war? Als wir kein fließendes Wasser mehr hatten?«
    Ich muss wohl etwas verdutzt geguckt haben, denn Ralph sagte: »Der Klempner. Vom Vermietbüro. So ein kleiner Mann. Um die dreißig.«
    »Ja, ich erinnere mich wieder … er kam … wegen dem Wasser. Was ist mit dem?«
    Er holte mühsam Atem. Es hörte sich an wie eine Luftmatratze, die in sich zusammensinkt. »Mit dem hatte sich Julia an dem Abend verabredet«, sagte er. »Mit dem Klempner. Ich weiß nicht, wann sie das vereinbart haben, wahrscheinlich bei einem seiner Besuche. Oder vielleicht im Dorf oder am Strand. Jedenfalls hatten sie sich bei der Sonnwendfeier an der anderen Strandbar verabredet. Alex hat noch versucht, sie davon abzubringen, ihm war die Sache nicht geheuer. Ich meine, für ihn war es schlimm genug, dass sie nichts von ihm wissen wollte. Er sei noch ein Kind, hat sie zu ihm gesagt, sie stehe mehr auf echte Männer. Nun, also an dem Abend … in der Nacht … Alex ist schließlich doch mit Julia mitgegangen. Weil ihm die Sache nicht geheuer war, wie ich schon sagte. Und dann ist das passiert. Der Mann hat Alex bedroht, Marc. Er würde ihm etwas antun, wenn er seinen Eltern etwas erzählte. Wenn ich das damals gewusst hätte … Dieser Scheißkerl hätte seinen Mund nie mehr aufgemacht!«
    »Aber … aber wie hat Julia …«
    »Warte, ich bin noch nicht fertig. Julia hat Alex beschworen, nichts zu verraten. Damals am Strand. Nachdem es passiert war.«
    »Aber ich habe sie gefunden … Als ich sie fand …«
    »Sie hat sich entsetzlich geschämt, es sei alles ihre eigene Schuld. Sie dachte, Caroline und du, ihr würdet ihr das nie verzeihen, dass sie so leichtsinnig war, ihr nie mehr vertrauen. Ihr würdet sie nie mehr allein irgendwohin gehen lassen. Deshalb kam sie auf die Idee, so zu tun, als wäre sie bewusstlos. Und dass sie sich an nichts mehr erinnern kann.«
    Eine halbe Stunde später standen Judith und ich auf dem Flur. Alex und Thomas waren in die Krankenhauskantine gegangen. Judith hatte gerade gesagt, sie sei froh, dass ich dabeigewesen sei. Und ich hatte gesagt, es sei ein »sanfter Tod« gewesen.
    Dann war Doktor Maasland gekommen und hatte von einer Gewebeprobe geredet, die nie bei ihnen eingetroffen sei. Er hatte Judith um die Zustimmung zur Obduktion gebeten.
    »Das ist doch schon sehr merkwürdig«, sagte Judith, nachdem Maasland gegangen war. »Kannst du dich wirklich nicht mehr erinnern? Ich weiß noch, dass du gesagt hast, das Ergebnis der Untersuchung sei negativ gewesen.«
    »Wirklich merkwürdig«, sagte ich. »Dieser arrogante Arsch tut grade so, als hätte ich die Gewebeprobe verschludert. Sie sollten sich mal an die eigene Nase fassen.«
    »Aber vorhin hast du gesagt, du könntest dich nicht mehr daran erinnern. Warum hast du das gesagt, Marc? Ich verstehe es einfach nicht. Ist da noch irgendetwas anderes? Etwas zwischen dir und Ralph? Und was habt ihr zu besprechen gehabt? Hatte das auch damit zu tun?«
    »Hör mir mal zu, Judith. Ich glaube, es ist für uns beide das Beste, wenn wir uns eine Zeit lang nicht mehr sehen. Und vielleicht nicht nur eine Zeit lang. Ich meine, eigentlich länger. Ich habe dir geholfen, soweit ich konnte, aber ich muss jetzt mein Leben in Ordnung bringen. Es ist zu viel passiert. Sachen, von denen du keinen blassen Schimmer hast. Da kann ich im Moment nicht auch dich noch am Hals haben.«

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49
    Zwei Tage später bekam ich einen Anruf von Dr. Maasland. Ich hatte gerade eine Schriftstellerin in der Praxis, die durch übermäßigen Rotweinkonsum zwanzig Jahre älter aussah, als sie war – und noch immer achtzehn Jahre älter als das retuschierte Porträt auf der Rückseite ihres letzten Buches.
    »Könnte ich Sie später zurückrufen? Ich habe gerade Sprechstunde.«
    »Ich fürchte nicht, Dr. Schlosser. Dafür ist die Angelegenheit zu ernst.«
    In den letzten Jahren hatten sich auf dem Gesicht der Schriftstellerin die Spuren des Alters rapide ausgebreitet. Rotwein drainiert die Haut. Es ist wie bei sinkendem Grundwasserspiegel. Versteppung droht. Tiere wandern ab. Pflanzen verkümmern und sterben. Sonne und Wind haben freies Spiel. Im Boden entstehen Risse. Erosion. Flugsand schleift die Oberfläche weiter ab.
    »Haben Sie die Gewebeprobe inzwischen gefunden?«, fragte ich. »Die ich damals zur Untersuchung eingeschickt habe? Es ist doch merkwürdig, dass sich so etwas einfach in Luft auflöst.«
    Am anderen Ende wurde geseufzt. Die Art von Seufzer, die
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