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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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Spezialisten von sich geben, wenn sie einem einfachen Hausarzt etwas Kompliziertes erklären müssen, was dieser doch nicht versteht.
    »Dazu sind wir noch nicht gekommen, aber darum geht es im Moment auch nicht. Die gestrige Obduktion ergab zweifelsfrei, dass jemand, und wir müssen annehmen, dass Sie das waren, Dr. Schlosser, Herrn Meier eine Gewebeprobe aus dem Oberschenkel entnommen hat.«
    »Das sage ich doch schon die ganze Zeit.«
    »Wenn Sie mich bitte ausreden lassen würden, Dr. Schlosser. Worum es nämlich geht, ist, dass zu viel Gewebe entnommen wurde. Aus einem viel zu großen Gebiet. Obwohl jeder Mediziner wissen müsste, dass man beim geringsten Verdacht einer so ernsten Erkrankung am besten zunächst einmal überhaupt nichts entnimmt. Dass man zuerst den Wert der weißen Blutkörperchen feststellt und erst danach eine Biopsie vornehmen lässt. Das gehört zum Grundwissen eines Medizinstudenten im ersten Semester.«
    »Ich nahm an, es mit einem Fettgeschwulst zu tun zu haben«, sagte ich. »Mit Blick auf die Essgewohnheiten von Herrn Meier nicht ganz unwahrscheinlich.«
    »Durch Ihre rigorose Vorgehensweise sind die Zellen höchstwahrscheinlich in die Blutbahn geraten. Von diesem Zeitpunkt an hatte Herr Meier kaum mehr eine Chance. Ich habe daher unverzüglich die zuständigen Behörden informiert. Normalerweise vergehen da Wochen oder Monate, aber in Anbetracht des Ernstes der Angelegenheit und des guten Rufes unserer Klinik haben sie uns dazwischengeschoben.«
    »Dazwischengeschoben?«
    »Die Disziplinarbehörde der Ärztekammer. Man erwartet Sie dort nächste Woche Dienstag um neun Uhr.«
    Ich grinste die Schriftstellerin an, die Zeichen von Ungeduld zu erkennen gab.
    »Am nächsten Dienstag … Aber am kommenden Freitag ist die Beerdigung. Ich dachte, dass …«
    »Herr Dr. Schlosser, ich hoffe, wir verstehen uns. Ich glaube nicht, dass die Familie Wert auf Ihre Anwesenheit bei der Beerdigung legt. Sicher nicht, nachdem wir sie von den Resultaten unserer Untersuchung in Kenntnis gesetzt haben.«
    »Und wann wäre das? Ist diese Eile wirklich nötig? Ein Urteil steht doch noch aus. Darüber wird doch erst am Dienstag entschieden, wenn überhaupt. Die Ärztekammer wird doch sicher erst nach reiflicher Erwägung zu einem Standpunkt kommen.«
    Mir wurde klar, dass ich viel zu viele Fragen stellte. Nervöse Menschen stellen zu viele Fragen. Aber ich war nicht nervös. Ich hätte nur nie das Wort Ärztekammer in Anwesenheit einer Patientin aussprechen dürfen.
    Auf der anderen Seite wurde wieder tief geseufzt.
    »Wir sind verpflichtet, die Angehörigen zu informieren. Wir werden dies per Post tun. Das dauert mindestens einen Tag. Mehr können wir für Sie nicht tun. Betrachten Sie es als Freundschaftsdienst unter Kollegen, Marc.«

[Menü]
50
    »Herzl. Aaron Herzl.«
    Die menschliche Stimme altert nicht. Auch wenn er seinen Namen nicht genannt hätte, hätte ich die Stimme meines ehemaligen Professors für Biomedizin unter Tausenden wiedererkannt.
    »Professor Herzl, wie geht es Ihnen?«
    »Das sollte ich besser dich fragen, Marc. Bist du allein? Kann ich offen reden?«
    Obwohl meine Praxis ungewöhnlich voll war – sage und schreibe vier Patienten saßen im Warteraum –, hatte ich noch keine Lust gehabt und sie noch ein wenig zappeln lassen.
    »Ich bin allein.«
    »Schön. Nimm es mir nicht übel, wenn ich gleich zur Sache komme, Marc, und Gott und die Welt überspringe. Ich schlage vor, dass du mir erst zuhörst und mir dann, wenn ich ausgeredet habe, Fragen stellst. So wie früher eigentlich. Hast du damit ein Problem?«
    »Nein.«
    »Schön. Also. Seit meiner Entfernung von der Universität habe ich verschiedene Stellen gehabt, mit denen ich dich nicht langweilen möchte. Die Niederlande sind ein kommunistisches Land. Wer in Ungnade fällt, kann Klos putzen gehen. So weit ist es zwar nicht gekommen, aber ich habe doch jahrelang Arbeiten verrichtet, die deutlich unter meinen Qualifikationen lagen. Wie dem auch sei, inzwischen sind meine Ideen von damals längst zum Gemeingut geworden, aber glaube nicht, dass sich jemand je bei mir entschuldigt hätte. Allerdings hat man mir in den letzten Jahren Tätigkeiten angeboten, die besser zu mir passen, um es einmal so auszudrücken. So bin ich seit etwa zwei Jahren der Ärztekammer in beratender Funktion verbunden.«
    Aaron Herzl machte eine Pause. Ich widerstand der Versuchung, ihm eine Frage zu stellen, und presste den Hörer noch fester ans
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