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Solar

Solar

Titel: Solar
Autoren: Ian McEwan
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vor langer Zeit, als mir klarwurde, dass ich nichts von ihr hören würde. Ich liebe sie, ich liebe...«
    »Damit ich das richtig verstehe«, sagte Beard. »Sie haben diese weite Reise gemacht, Sie haben der Inneren Sicherheit Ihre Vorstrafe verschwiegen, bloß um mir zu sagen, dass Sie meine Exfrau immer noch lieben?«
    »Sie sind der einzige andere Beteiligte, verstehen Sie doch. Sie sind der Einzige, dem ich sagen kann und der versteht, was es heißt, dass Patrice Aldous getötet hat und dass ich dafür mit acht Jahren meines Lebens bezahlt habe. Außerdem muss ich Sie um Entschuldigung bitten, dafür, wie ich Sie behandelt habe, als Sie vor meiner Tür standen. Aber damals hatte ich eine Menge Stress, verstehen Sie, wo Patrice doch abends immer zu Aldous gegangen ist, weil sie sich nicht getraut hat, ihn zu verärgern. Jedenfalls tut es mir wirklich sehr leid, dass ich Sie geschlagen habe.«
    Beard sagte: »In Ordnung, Schwamm drüber.«
    Aber Tarpin hatte mit seiner Entschuldigung noch etwas anderes bezweckt. »Es gibt noch einen Grund, warum ich hergekommen bin. Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich kann so nicht weitermachen. Ich kann nicht die nächsten zehn Jahre damit verbringen, immer nur an Patrice zu denken. Mr Beard, ich brauche einen Neuanfang, möglichst weit weg von ihr. Ich habe die Berichte im Fernsehen über diese Geschichte hier gesehen. Sie sind der Einzige, der meine Lage kennt, und ich weiß, Sie verstehen mich. Ich bitte Sie, geben Sie mir einen Job. Ich habe nichts verlernt, Klempnerei, Elektroinstallationen, Maurerarbeiten, harte körperliche Arbeit. Wenn es sein muss, sammle ich auch bloß den Müll ein. Ich kann zupacken.«
    Beards Gedanken rasten. Darlenes Nicky hatte er auch einen Job besorgt, auch wenn sie nach zwei Tagen wieder rausgeflogen war. Das mit Tarpins fehlender Arbeitserlaubnis würde sich irgendwie regeln lassen. Vielleicht hatte dieser Spinner in seinem Wahn wirklich mal etwas Abwechslung verdient. Pech nur für Tarpin, dass Beards Stimmung in den Keller gesackt war bei der Erinnerung an die schreckliche Zeit, als er im ersten Stock am Fenster stand und seiner Frau nachsah, wie sie in neuen Kleidern und Schuhen über den Gartenweg zur Straße ging, um mit dem Peugeot zu ihrem Rendezvous davonzubrausen. Aber waren acht Jahre nicht genug? War Tarpin nicht genug gestraft? Wahrscheinlich war es nie genug, dachte Beard, während er aufstand, Tarpin die Hand hinhielt und wieder in seinen förmlichen Ton verfiel.
    »Danke, dass Sie mich aufgesucht haben, Mr Tarpin. Ich weiß nicht, ob ich Ihrer Geschichte Glauben schenken kann, aber sie hat mir gefallen. Was einen Job anbetrifft, nun ja, Sie hatten eine Affäre mit meiner Frau, Sie haben sie dazu angestiftet, einen guten Kollegen von mir zu ermorden, falls Sie ihn nicht womöglich doch selbst ermordet haben. Alles in allem habe ich nicht direkt das Gefühl, Ihnen etwas schuldig zu sein...«
    Auch Tarpin hatte sich erhoben, verweigerte ihm aber den Händedruck. Er schien erstaunt. »Sie sagen nein?«
    »Ja.«
    In Windeseile war aus dem winselnden Bittsteller ein Angreifer geworden. »Weil ich mit Ihrer Frau zusammen war?«
    »Hauptsächlich deswegen, ja.«
    »Aber Sie haben sie nicht geliebt. Sie haben alles gebumst, was Ihnen über den Weg gelaufen ist. Sie haben nicht für sie gesorgt. Sie hätten sie ganz für sich allein haben können, Sie haben sie in die Flucht geschlagen.«
    Jetzt, wo er wütend war, glich er schon eher wieder dem alten Tarpin mit seinen roten Backen und dem Rattengesicht. Er war abgemagert, aber drahtig, und hatte vielleicht doch noch nicht alle Kraft eingebüßt. Mochte er auch kleiner und älter geworden sein, er war immer noch größer und jünger als Beard.
    »Ich war nicht auf eine Affäre aus«, sagte er laut. »Patrice hat sich an mich rangemacht, um es Ihnen heimzuzahlen. Ich hatte schon selber Probleme genug. Meine Frau ist mit meinen Kindern durchgebrannt. Sie selbst haben Ihre beschissene Ehe kaputtgemacht. So eine schöne Frau. Sie haben ihr das Herz gebrochen!«
    Jederzeit auf einen Angriff gefasst, machte sich Beard seitlich durch die Sitzreihen davon. Er war kein Tom Aldous, der anderen Leuten die Kniescheibe brechen konnte. Aus sicherer Entfernung sagte er: »Unten am Highway sind Polizisten stationiert. Verschwinden Sie auf der Stelle, oder ich lasse die kommen, damit sie sich Ihr Touristenvisum mal genauer ansehen. Mit Illegalen geht man hier nicht gerade zimperlich um, das können Sie
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