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Söhne und Planeten

Söhne und Planeten

Titel: Söhne und Planeten
Autoren: Clemens J. Setz
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erwachende Bahnhof, die müden Gesichter der Fremden, der beginnende Tag, der ungeduldig darauf wartet, ebenso ernst genommen zu werden wie jeder andere Tag – die ideale Tageszeit für tragische Entscheidungen, für die es wenig andere Beruhigungen gibt als die, die unser Körper instinktiv anbietet. Ein Todesfall am frühen Morgen. Ein schlimmer Telefonanruf. Eine unangenehme Entdeckung auf der eigenen Haut. Der beginnende Tag liegt vor uns wie ein weicher Polster aus Zeit. Dagegen bietet dieNacht nur Verstärkung, Allein-Sein und Selbstgespräche mit seinen Sorgen und Ängsten. Kurz, am Abend steht uns, die wir immer Kinder bleiben, stets mehr an Wunscherfüllung zu als am Morgen oder zu Mittag.
    Nina half ihrem Sohn in die Straßenbahn. Ihm war nach dem Essen ein wenig schlecht geworden, aber das würden wir in den Griff bekommen, dachte ich. Alles würden wir zusammen in den Griff bekommen. Uns erwartete ein gemeinsamer Abend, dann eine Nacht.

4
Die Strafe
    Nina nahm jeden meiner Stöße auf, fing sie ab, allein durch ihre Anwesenheit, allein durch die Stellung ihres Körpers. Sie konnte es sich erlauben, einfach nur aufrecht auf der Fensterbank zu sitzen, während ich mich keuchend in ihr hin und her bewegte. Ihr Körper war dafür gebaut, darauf
ausgerichtet
– dieses Wort, dieser Gedanke erregte mich besonders. Ich bearbeitete sie, mühsam Standbein und Spielbein auf dem rutschigen Badezimmerboden wechselnd, und sie gab nach, gab wunderbar und herrlich nach, so herrlich, dass ich schneller zum Ende kam als sonst. Ich wurde ein wenig langsamer – sie reagierte auch darauf, griff nach unten und nahm meine Hoden in die Hand, nein, zwischen Daumen und zwei Finger. Konnte es sein, dass sie mich ein wenig daran zog? Ja … Sie deutete einen Rhythmus an, einen langsamen. In diesem Tempo sollte es weitergehen.
    – Komm ruhig in mir, sagte sie und ihre Stimme hatte etwas irritierend Krankenschwesterliches. Ich mag das.
    In einem letzten Versuch, die Kontrolle zu behalten, krampften sich meine Augen zu engen Sehschlitzen zusammen, während ich mich in ihr vergoss. Meine Schläfen waren kühl von Schweiß, mein Nacken schmerzte. Sie schaute mich an, bis die ewige Sekunde vorbei war, dann deutete sie durch eine minimaleBewegung ihres Beckens an, dass ich mich nun von ihr lösen konnte.
    Später liebten wir uns ein zweites Mal in ihrem Schlafzimmer, ineinander verkeilt wie zwei Hunde. Ich kam auf ihren Rücken, was ich vorher noch nie gemacht hatte. Die weißen Spritzer trafen zwischen ihre Schulterblätter und auf die sanften, ständig in Bewegung befindlichen Andeutungen ihrer Wirbelsäule.
    Hinterher reinigte ich ihren Körper mit einem Handtuch behutsam von meinen Spuren.
    Am nächsten Morgen erwachte ich in einem Durcheinander von Decken und Überzügen. Um mein linkes Bein hatte sich ein Leintuch gewickelt, wie eine Fußfalle. Bevor ich die Augen öffnete, erlaubte ich den Geräuschen des Morgens, sich langsam von denen des Traums zu lösen, ein Geschirrschrank kicherte irgendwo schrill, ein Auto fuhr vorbei, Schritte und Stimmen in den Nachbarwohnungen, morgendliches Hundegebell.
    Mein erster Blick fiel auf die leere Betthälfte. Ich setzte mich auf. Es war vollkommen still in der Wohnung, sie war von den morgendlichen Geräuschen umgeben, war selbst aber schweigsam. Eine Luftblase, dachte ich etwas benommen und sah mich um. Gestern Abend hatte ich das große gerahmte Bild über dem Bett gar nicht bemerkt. Obwohl ich es eigentlich, als wir uns zum zweiten Mal geliebt hatten, direkt angestarrt haben musste, in der Dunkelheit. Es war selbst ein dunkles Bild, das gar nicht in das freundliche Schlafzimmer passte. Eine Figur mit abstrakt ausufernden Gliedmaßen kauerte unter einem schwarzen Quadrat, das ein Fenster sein konnte oder auch ein Fallbeil.
    Ich stand auf und ging vorsichtig aus dem Schlafzimmer. Niemand war da. Die Tür zum Kinderzimmer stand offen, der Parkettboden spiegelte gleißend hell das Sonnenlicht.
    Mein halbsteifes Glied, das gegen die Boxershorts drängte, meldete Schmerzen und ich erlöste es von einem Schamhaar, das sich auf die entblößte Eichel verirrt hatte.
    Nina war mit Sicherheit schon in die Arbeit gegangen, Andreas war natürlich in der Schule. Denn es war … Mittwoch, ja … und ich dachte einen Augenblick lang über diesen Wochentag nach, als bedeute er irgendetwas. In diesem Moment bemerkte ich meine Uhr, ich fand sie auf dem falschen Handgelenk. Was machte sie da? Hatte Nina
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