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Einfach neugierig

Titel: Einfach neugierig
Autoren: Jude Deveraux
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    »Ich glaube nicht an Wunder«, sagte Karen, sah ihre Schwägerin an und kniff die Lippen zusammen. Die Sonne beschien Karens blitzsauberes Gesicht und ließ sie aussehen wir ein »Vorher«-Model vor dem »Nachher«-Make-up. Aber das fehlende Make-up enthüllte nur einen makellosen Teint, hohe Wangenknochen und Augen wie dunkle Smaragde.
    »Von Wundern habe ich kein Wort gesagt«, entgegnete Ann aufgebracht. Sie war so dunkel wie Karen blond, rund fünfzehn Zentimeter kleiner und sinnlich-füllig. »Ich sagte lediglich, daß du zu diesem Weihnachtsball in den Club gehen sollst. Was ist daran >wundervoll    »Du sagtest, dort könnte ich vielleicht einen ganz wundervollen Mann kennenlernen und wieder heiraten«, wehrte sich Karen und verdrängte jeden Gedanken an den Autounfall, der ihr ihren geliebten Mann genommen hatte.
    »Okay, okay, ich bitte kniefällig um Entschuldigung.« Ann musterte ihre früher so schöne Schwägerin mit zusammengekniffenen Augen und konnte sich kaum noch vorstellen, wie eifersüchtig sie einst auf Karens Aussehen gewesen war. Jetzt hingen ihr die Haare strähnig und schlaff um die Schultern. Und mit ihrem blassen Teint sah Karen ohne Make-up aus wie ein farbloser Teenager. Anstelle ihrer früher so eleganten Kleidung trug sie einen alten Jogginganzug, der Karens verstorbenem Ehemann Ray gehört hatte.
    „Du warst einmal das atemberaubendste Mädchen im Country Club«, erklärte Ann bekümmert. »Ich sehe dich noch vor mir, wie du bei einem Weihnachtsball mit Ray getanzt hast. Erinnerst du dich noch an das rote Kleid, das du dabei getragen hast? So gewagt geschlitzt, daß man buchstäblich deine Mandeln sehen konnte? Aber was für ein faszinierendes Paar ihr doch gewesen seid. Deine endlosen Beine haben jedem Mann im Raum den Atem verschlagen. Jedem Mann in ganz Denver! Bis auf meinen Charlie natürlich. Der hat nie hingeguckt.«
    Karen lächelte ihre Schwägerin über die Teetasse hinweg flüchtig an. »Deine entscheidenden Worte waren >Mädchen> und >Ray<. Das eine bin ich nicht mehr, den anderen gibt es nicht mehr für mich.«
    »Ich bitte dich!« jammerte Ann nun. »Du hörst dich ja an, als wärst du zweiundneunzig und müßtest daran denken, dir einen Sarg auszusuchen. Du bist gerade dreißig, keine Woche älter! Ich werde in diesem Jahr fünfunddreißig, aber mein Alter hält mich von nichts ab.« Ann stand auf, drückte sich die Hände in den Rücken und lief unbeholfen zum Herd, um sich noch eine Tasse Kräutertee einzugießen. Sie war so voluminös schwanger, daß sie kaum an den Kessel heranreichte.
    »Eins zu null für dich«, sagte Karen. »Aber ganz gleich, wie jung oder alt ich bin. Das bringt mir Ray auch nicht zurück.«
    Ann seufzte resigniert auf, denn diese Unterhaltung hatten sie schon unzählige Male geführt. »Ray war mein Bruder, und ich habe ihn sehr geliebt, aber Ray ist tot, Karen. Und das schon seit zwei Jahren. Du mußt dich endlich wieder dem Leben zuwenden.«
    »Du verstehst das eben nicht, Ann. Ray und ich ... Wir waren ...«
    Ann griff über den Tisch und rückte mitfühlend Karens Hand. »Ich weiß, wieviel er dir bedeutet hat, aber du hast einem Mann noch eine Menge zu bieten. Einem lebendigen Mann.
    »Nein!« erklärte Karen scharf. »Kein Mann auf der Welt könnte mir Ray ersetzen, und ich will nicht, daß jemand auch nur den Versuch dazu unternimmt.« Abrupt stand sie auf und trat ans Fenster. »Niemand versteht das. Ray und ich waren mehr als nur miteinander verheiratet. Wir waren Partner. Eine verschworene Gemeinschaft. Ray hat mich in allem um meine Meinung gefragt - von geschäftlichen Dingen bis hin zur Farbe seiner Socken. Jeder Mann, den ich vor oder nach Ray kennengelernt habe, will von einer Frau nur, daß sie hübsch aussieht und den Mund hält. Sobald man beginnt, ihm seine Ansichten mitzuteilen, bittet er den Kellner doch um die Rechnung.«
    Dem hatte Ann nichts entgegenzusetzen, denn sie wußte aus eigener Anschauung, was für eine gute Ehe sie geführt hatten. Aber inzwischen war es Ann mehr als leid mit anzusehen, wie sich ihre Schwägerin vor aller Welt versteckte, daß sie sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als Karen zu sagen, daß sie nie einen Mann finden würde, der Ray auch nur halbwegs das Wasser reichen könnte.
    »In Ordnung«, meinte Ann besänftigend, »ich höre schon auf. Wenn du so entschlossen bist, es den indischen Witwen nachzumachen, so ist das deine Sache.« Sie machte eine kurze Pause und fügte dann
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