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Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Titel: Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
Autoren: Susanne U. Wiemer
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I.
    Sie starrten in den Himmel.
    Reglos, wie mit dem Felsgestein verwachsen, die Augen auf den schlanken silbernen Flugkörper gerichtet, der aus der roten Morgensonne zu kommen schien. Blitzende Reflexe stachen gleich Pfeilen durch die heiße Luft. Die hageren, zerlumpten Gestalten hoben schützend die Hände vor die Gesichter.
    »Sie kommen«, krächzte der Mann mit dem langwallenden grauen Bart. »Immer mehr kommen! Immer mehr ...«
    »Laß sie kommen«, murmelte sein Begleiter.
    »Sie werden die Stadt betreten ...«
    »Und sterben!« Der zweite Mann kicherte dünn. »Der Tod wird sie holen! Die Krankheit wird sie holen, die an uns allen frißt.«
    Der Bärtige wischte sich den Speichel von den Lippen.
    »Geh!« flüsterte er. »Sag es den anderen! Möglich, daß wir uns ein paar von ihnen holen können, ehe sie sterben. Möglich, daß wir noch Beute machen.«
    Der Bärtige lächelte. Ein Lächeln, das bleiches, zerfressenes Fleisch zu einer Fratze verzerrte.
    »Ich gehe in die Stadt. Ich will sie sehen. Mir hat der Tod schon die Hand auf die Schulter gelegt, ich fürchte die Stadt nicht.«
    Sein Begleiter nickte.
    Rasch wandte er sich ab und verschwand zwischen den glühenden Felsen. Sekunden später waren nur noch seine huschenden Schritte zu hören.
    Dar Bärtige blieb zurück.
    Er lächelte immer noch. Seine Augen verfolgten den silbernen Schatten am Himmel, und ein irres Kichern schüttelte den hageren Körper.
    *
    Schroff und rot ragten die Mauern der Stadt in den Himmel - so rot wie die Wüste.
    Eine tote Stadt, seit Jahrhunderten dem Sand preisgegeben, der sengenden Glut der Sonne, der Eiseskälte in den Nächten. Leere Fensterhöhlen starrten, Staub trieb in langen Schlieren über Straßen und Plätze. Der Wind - dieser heiße, pulsierende, nie ermüdende Wind des Mars strich durch Gassen und bröckelnde Torbögen, trieb roten Sand auf den Türschwellen zusammen, wisperte und raunte in den Ruinen wie ein Chor von geisterhaften Stimmen.
    Ein Kreis hoher, schlanker Säulen umgab den Platz im Mittelpunkt der Stadt.
    Der gemauerte Schacht, der zu einer tief im Felsen verborgenen Quelle führte, bildete sein Zentrum - und zugleich das Zentrum des Sonnensymbols, dessen riesiges Mosaik unter dem roten Staub auf dem Pflaster noch sichtbar war. Vor mehr als zweitausend Jahren hatten hier die Ureinwohner des Mars gelebt, jene alten Stämme, deren Geschichte sich im Dunkel der Vergangenheit verlor. Für Äonen war es nur die Berührung des ewigen Windes gewesen, die über das verblassende Abbild der Sonne strich. Jetzt standen drei silbern glänzende Fahrzeuge auf den uralten Steinen: flache Gleiterjets, fremdartig und anmaßend - Sinnbilder des neuen Mars, der mit seiner überlegenen Technik und seinem kalten Kult der Vernunft keine versunkenen Träume und Traditionen neben sich duldete.
    Die Menschen, die sich um die drei Fahrzeuge drängten, gehörten weder dem alten noch dem neuen Mars an.
    Sie waren in dieser roten Stadt so fremd, wie sie es in Kadnos gewesen waren, der Hauptstadt der Vereinigten Planeten mit ihren weißen, schimmernden Kuppeln und Türmen. Mehr als hundert Menschen: Kinder und Greise, Frauen in grob gewebten Leinenkleidern, halbnackte Krieger mit gegürteten Schwertern. Hitze, Staub und Strapazen hatten ihre Gesichter gezeichnet. Irgendwann, bevor der Wind sein geduldiges Zerstörungswerk begann, mochten die Bildnisse an den steinernen Säulen den Gestalten der Fremden geähnelt haben. Doch sie, die quer durch die Wüste in die Sonnenstadt geflohen waren, stammten nicht vom Mars, sondern von der fernen, verwüsteten Erde.
    Charru von Mornag ließ seinen Blick über den weiten Platz schweifen und lauschte dem Singen des Windes.
    Die Stille ringsum schien belebt wie von unhörbar wispernden Stimmen, die noch nach Jahrtausenden von vergangenem Glanz erzählten. Die Stadt wirkte fremd und wild, wehrhaft und abweisend - so abweisend wie die Wüste, hinter deren endloser Öde Kadnos nur noch ein ferner Traum war.
    Lag es wirklich erst Stunden zurück, daß sie sich im Wrack eines havarierten Raumschiffs gegen die übermächtige marsianische Armee verteidigt hatten?
    Charru fuhr sich mit der Hand über die Stirn, wie um die quälende Erinnerung wegzuwischen. Es gab viele solcher Erinnerungen. Die kalte Drohung der Laserkanonen, die Stein und Stahl in Dampf verwandeln konnten ...Lara Nord, die ihm geholfen hatte ...Shea Orland, der tot war, ermordet von einem Priester...
    Er durfte nicht darüber
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