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Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Titel: Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
Autoren: Susanne U. Wiemer
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ihn.
    »Was willst du damit sagen, Hakon?« fragte Charru ruhig. »Daß wir den Jungen seinem Schicksal überlassen sollen?«
    Der Nordmann biß die Zähne zusammen.
    Seine Augen loderten. Damals, nach Shea Orlands Tod, war Charru ihm in den Arm gefallen, weil es keinen Beweis für Dayels Schuld gab. Aber Hakon glaubte an diese Schuld, genau wie die meisten anderen, und es fiel ihm schwer, seinen Haß zu bezwingen.
    »Er ist einer von uns«, sagte er tonlos. »Wir müssen ihn suchen...«
    *
    Die Plattform des Transportschachtes trug Lara Nord ins Untergeschoß, wo ein paar Dutzend Gleiterjets warteten.
    Ein Laufband hatte sie vom Regierungssitz hinüber in die Universität gebracht, da sie nur dort ohne weitere Formalitäten ein Fahrzeug bekommen konnte. Sie war Studentin der A-Kategorie, hatte Aussichten, mit ihrem Abschluß die Klasse I zu erreichen und damit zur Führungsschicht der Vereinigten Planeten zu gehören. Intelligenzquotient und Leistung räumten ihr gegenüber weniger begabten Kommilitonen gewisse Privilegien ein - unter anderem das Vorrecht, jederzeit einen der Universitäts-Jets benutzen zu können.
    Unter der blonden Helmfrisur glich ihr Gesicht einer blassen Maske.
    Sie hatte sich entschieden. Dafür entschieden, ihrem Gewissen zu folgen statt den Gesetzen der Vereinigten Planeten. Ihrem Gewissen - und ihrem Gefühl. Denn inzwischen wußte sie, was es ihr unmöglich machte, die Vernichtung der entflohenen Barbaren einfach hinzunehmen. Sie wußte, daß sie für Charru von Mornag etwas empfand, das sie niemals für Helder Kerr oder irgendeinen anderen Marsianer empfinden konnte, daß sie ihn liebte - und daß diese Liebe für immer eine Mauer zwischen ihr und ihrer Welt aufgerichtet hatte.
    Charru durfte nicht sterben.
    Er nicht - und auch nicht sein Volk...
    Sie, Lara, würde sich zu schützen wissen. Falls man sie ertappte, gab es genug Ausreden. Das schlimmste, was ihr passieren konnte, war irgendeine Disziplinierungs-Maßnahme, die dazu führte, daß sie noch eine Weile auf dem Mars bleiben mußte.
    Im Untergeschoß verließ sie den Schacht, zeigte einem Mann in der dunkelgrünen Tracht des Transportwesens ihren Ausweis und ließ sich einen der Jets anweisen.
    Sie stellte ihn auf Grundhöhe und glitt über die Rampe. Draußen herrschte Betrieb: Studenten kamen von den Morgenvorlesungen zurück, Menschen strebten den Versorgungszentralen zu oder beeilten sich, um zu Hause an den Bildwänden die Mittagsnachrichten nicht zu versäumen. Denn seit einigen Tagen boten diese Mittagsnachrichten fast immer aufregende Neuigkeiten - auch wenn die Wissenschaftler der psychologischen Fakultät sie in beruhigende Formulierungen kleideten.
    Lara lenkte ihren Jet über die breite Gleiterbahn zur Urania-Brücke.
    Sie würde einen Bogen fliegen, zuerst einen Abstecher in Richtung Romani drüben am Niederkanal machen. Wenn man sie fragte, konnte sie dann immer noch behaupten, sie habe sich rein interessehalber die dortige Klinik ansehen wollen: eine Stufe-II-Klinik, wie überall auf den Planeten außerhalb der Hauptstädte.
    Hinter der Urania-Brücke folgte sie eine Weile dem schwarzen Wasserlauf des Kanals. Erst als Kadnos außer Sicht war, schwenkte sie von der Gleiterbahn ab und lenkte ihren Jet nach Norden.
    Die Beschleunigung preßte sie in den Sitz. Ihr Blick hing an dem Bord-Chronometer, der ihr sagen würde, wann sie die Singhal-Klippen passiert und das Gebiet der New Mojave erreicht hatte.
    *
    Das zweite Mal an diesem Tag durchkämmten die Terraner die tote Stadt.
    Bar Nergal, der Oberpriester, kauerte immer noch in dem großen Haus, zusammen mit den Kranken und Verletzten. Ein paar Frauen und alte Leute litten unter den Nachwirkungen der lebensgefährlichen Stoffwechsel-Krise, ausgelöst von der abrupten Umstellung auf das Nahrungskonzentrat des Mars. Indred von Dalarme betreute sie, die Heilkundige der Tiefland-Stämme. Cori, ihre blondhaarige Enkelin ging ihr zur Hand. Sie verteilten Tabletten, die Lara Nord zurückgelassen hatte, legten kühlende Umschläge auf und schleppten Wasserhäute, um den Männern zu trinken zu geben, die bei dem Kampf gegen die Priester verwundet worden waren.
    In den Ruinen der roten Stadt hallten Stimmen. Sie riefen Dayels Namen.
    Er blieb verschwunden. Zai-Caroc, der zu den engstirnigen, fanatischen Unbelehrbaren unter den Priestern gehörte, behauptete immer wieder, nur die schwarzen Götter könnten den Jungen geholt haben. Ayno spuckte verächtlich aus. Der Tempelhüter
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