Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frauen der Calhouns 03 - Lilah

Die Frauen der Calhouns 03 - Lilah

Titel: Die Frauen der Calhouns 03 - Lilah
Autoren: Nora Roberts
Vom Netzwerk:
P ROLOG
    Bar Harbor, 1913
    Die Klippen rufen mich. Hoch und wild und gefährlich schön, so stehen sie da und locken verführerisch wie ein Liebhaber. Am Morgen war die Luft so sanft wie die Wolken, die über den westlichen Himmel zogen. Möwen kreisten und riefen. Ein einsamer Klang wie von einer Glockenboje, deren Läuten auf dem Wind dahertreibt. Es erinnerte mich an eine Kirchenglocke, die eine Geburt verkündet – oder einen Todesfall.
    Wie Luftspiegelungen schimmerten Inseln durch den feinen Dunst, den die Sonne noch nicht über dem Wasser aufgelöst hatte. Fischer steuerten ihre behäbigen Boote aus der Bay hinaus auf die rollende See.
    Obwohl ich wusste, dass er nicht da sein würde, konnte ich nicht fernbleiben.
    Ich nahm die Kinder mit. Es kann nicht falsch sein, mit ihnen das Glück teilen zu wollen, das ich stets empfinde, wenn ich durch das Wildgras zu den Felsen wandere. Ich hielt Ethans Hand in der einen, Colleens in der anderen Hand. Nanny führte den kleinen Sean, während er durch das Gras hinter einem gelben Schmetterling hertappte.
    Ihr Lachen – der süßeste Klang für eine Mutter – schwebte durch die Luft. Noch werden sie nicht von den Sorgen der Welt bedrückt, von den Aufständen in Meako, der Unruhe in Europa. Zu ihrer Welt gehören weder Betrug noch Schuldgefühle oder Leidenschaften. Könnte ich sie doch bloß so unschuldig und sicher und frei erhalten! Aber ich weiß, dass sie sich eines Tages all diesen aufwühlenden Emotionen der Erwachsenen sowie deren Sorgen stellen müssen.
    Doch heute sollten Blumen gepflückt und Fragen beantwortet werden. Und mir blieb es, Träumen nachzuhängen.
    Zweifellos weiß Nanny, warum ich hier spazieren gehe. Sie kennt mich zu gut, um nicht in mein Herz zu blicken. Sie liebt mich zu sehr, um mich zu kritisieren. Niemand sieht deutlicher als sie, dass es in meiner Ehe keine Liebe gibt. Diese Ehe ist für Fergus eine Annehmlichkeit, für mich eine Pflicht. Gäbe es nicht die Kinder, hätten wir nichts gemeinsam. Und ich befürchte, dass er sie nur als Besitz betrachtet, als Symbole für seinen Erfolg, genau wie unser Heim in New York oder The Towers, das burgartige Haus, das er auf dieser Insel für den Sommer gebaut hat. Oder für mich, eine Frau, die er geheiratet hat, die er für attraktiv genug, für wohlerzogen genug erachtet, um den Namen Calhoun zu tragen. Seine Tafel zu zieren oder an seinem Arm zu glänzen, wenn wir uns in der Gesellschaft bewegen, die für ihn so wichtig ist.
    Es klingt kalt, wenn ich dies schreibe, doch ich kann nicht so tun, als gäbe es Wärme in meiner Ehe mit Fergus. Ganz sicher existiert keine Leidenschaft. Als ich den Wünschen meiner Eltern folgte und ihn heiratete, hoffte ich auf Zuneigung, die sich zur Liebe entwickeln würde. Doch ich war noch sehr jung.
    Bis vor einem Jahr konnte ich mir selbst einreden, dass ich zufrieden war. Ich habe einen erfolgreichen Ehemann, wundervolle Kinder, einen beneidenswerten Platz innerhalb der Gesellschaft und einen Kreis eleganter Freunde. Meine Garderobe quillt über von schönen Kleidern und Juwelen. Die Smaragde, die Fergus mir zu Ethans Geburt schenkte, sind einer Königin würdig. Mein Sommerhaus ist imposant und mit seinen Erkern und Türmchen ebenfalls für königliche Bewohner geeignet, mit seinen hohen Räumen mit den Seidentapeten, den schimmernden Fußböden und den teuersten Teppichen.
    Welche Frau wäre mit all dem nicht zufrieden? Was könnte eine pflichtgetreue Ehefrau noch mehr verlangen? Außer Liebe nichts.
    Es war Liebe, was ich auf diesen Klippen fand, bei jenem Künstler, der dort stand, der See zugewandt, und diese Felsen und die tobenden Wasser auf Leinwand bannte. Christian. Sein dunkles Haar vom Wind zerzaust, seine grauen Augen waren so dunkel, so eindringlich, wenn sie mich betrachteten. Hätte ich ihn nicht getroffen, hätte ich vielleicht weiterhin Zufriedenheit heucheln können. Ich hätte weiterhin so tun können, als würde ich mich nicht nach süßen Worten oder einer sanften Berührung mitten in der Nacht sehnen.
    Doch ich traf ihn, und mein Leben veränderte sich. Nicht für hundert Smaragdcolliers würde ich zu dieser falschen Zufriedenheit zurückkehren. Mit Christian habe ich etwas gefunden, das wertvoller ist als alles Gold, das Fergus so eifrig anhäuft. Es ist nichts, das ich in der Hand halten oder am Hals herumtragen kann, sondern etwas, das ich in meinem Herzen bewahre.
    Wenn ich ihn auf den Klippen treffe, wie ich dies an diesem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher