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Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten

Titel: Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
Autoren: Susanne U. Wiemer
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warf sich der Unbekannte schon herum und floh in den Schatten der nächsten Gasse.
    Charru setzte ihm nach.
    Er wollte ihn aufhalten, mit ihm sprechen. Sie mußten wissen, wer diese Fremden waren, mußten sichergehen, daß in den Mauern der Stadt keine Gefahren lauerten. Die zottige Gestalt taumelte. Charru holte auf. Er lief in dem gleichmäßigen Wolfstrab der Steppenbewohner, die Sohlen seiner leichten, mit dünnen Lederriemen geschnürten Sandalen klatschten auf den Pflastersteinen. Einmal sah der Mann vor ihm über die Schulter. Sekundenlang fiel die Sonne voll auf das abgezehrte, verzerrte Gesicht mit den flackernden Augen. Dann warf sich der Fremde zur Seite, stieß mit der Schulter gegen eine Mauer und war im nächsten Moment in einem schmalen Durchschlupf verschwunden.
    Charru hörte die Schritte der anderen hinter sich.
    Als er die Lücke zwischen den roten Ruinen erreichte, turnte der Fremde über einen Haufen zerbröckelnder Steine und versuchte, sich auf eine Mauerkrone zu ziehen. Ein Gewirr flacher, basteibewehrter Dächer lag dahinter. Hitze staute sich wie in einem Backofen, das Pflaster glühte. Keuchend zog der Fremde die Luft ein, krallte sich mit blutenden Fingernägeln an die Mauerkante. Panik loderte in seinen tiefliegenden Augen, und Charru blieb unwillkürlich stehen.
    »Wir kommen in Frieden«, sagte er beschwörend. » Du brauchst keine Angst zu haben, du ...«
    Etwas krachte dumpf.
    Roter Staub wölkte auf, einzelne Steine lösten sich und polterten zu Boden. Charru handelte instinktiv, wollte hinzuspringen und den Mann von der Mauer wegreißen, doch er schaffte es nicht mehr.
    Mit einem krächzenden Schrei ließ der Fremde los und stürzte auf den Geröllberg.
    Knirschend und prasselnd brach über ihm die Mauer zusammen. Ein Stein streifte Charrus Schulter und ließ ihn taumeln.
    Staub brannte ihm in Augen und Kehle. Sekundenlang sah er nur roten Dunst, dann verebbte das Poltern, die aufgewirbelte Wolke senkte sich.
    Der Fremde lag reglos, mit verrenkten Gliedern wie eine zerbrochene Puppe. Charru trat neben ihn und sah in die aufgerissenen, gebrochenen Augen. Daß er die Zähne in die Unterlippe gegraben hatte, merkte er erst, als er den scharfen Schmerz spürte.
    »Du kannst nichts dafür.« Jarlon war neben ihn getreten und warf ihm einen Blick zu. »Er muß wahnsinnig gewesen sein. So sahen sie alle aus. Als ob sie krank wären.«
    Charru wandte sich langsam um.
    Katalin stand an der heilgebliebenen Hauswand, immer noch zitternd. Er legte beruhigend die Hand auf ihren Arm.
    »Hat er versucht, dich anzugreifen?« fragte er leise.
    Sie schüttelte den Köpf. »Er stand nur da ...Er stand einfach da und beobachtete uns. Aber in seinen Augen lag so viel Haß! Und ...und eine Art von Gier - als warte er auf etwas, das uns zustoßen würde.«
    »Uns zustoßen?« echote er.
    »Ich verstehe es selbst nicht.« Sie stand dicht neben ihm; er fühlte das weiche blonde Haar an seiner Schulter und das Zittern, das sie überlief. »Es war schrecklich. Etwas Böses ging von ihm aus ...etwas Krankhaftes.«
    Charru dachte an den Bericht von Jarlon und Karstein.
    Wahnsinnige, die sich blindlings auf sie gestürzt hatten...
    Wer waren sie? Wie kam es, daß die Marsianer sie hier duldeten? Warum waren sie Jarlon und Karstein nicht in die Stadt gefolgt, da sich doch dieser eine zwischen die roten Ruinen gewagt hatte?
    Vielleicht war er unter jenen Fremden ein Ausgestoßener. Oder eine Art Priester, der als einziger das Tabu zu brechen wagte. Gab es ein solches Tabu? Irgendeine unsichtbare Gefahr, die in den leeren, sonnendurchglühten Häusern lauerte?
    Charru wußte es nicht. Und er sprach die Frage nicht aus. Sie hatten keine Wahl. Sie mußten hierbleiben, und was immer sich in dieser Stadt verbergen mochte, konnte nicht schlimmer sein als die realen, greifbaren Gefahren, denen sie nur für eine kurze Atempause entronnen waren.
    Sein Blick wanderte zu dem bärtigen, verzerrten Gesicht des Toten.
    »Seine Leute werden glauben, daß wir ihn umgebracht haben«, sagte er leise. »Wir werden versuchen müssen, mit ihnen zu reden - später. Und wir müssen ihn begraben ...«
    *
    Innerhalb des Stadtgebietes von Kadnos hielt die Feldsteuerung der modernen Klimaanlagen die Temperatur auf konstanten neunzehn Grad Celsius.
    Das Gebäude des Regierungssitzes erstreckte sich als weißer Quader neben den schimmernden Kuppeln der Universität. In der Gästesuite im obersten Stockwerk herrschte ein angenehmes Licht, das
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