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Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden

Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden

Titel: Monkeewrench 01 - Spiel unter Freunden
Autoren: PJ Tracy
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    Kapitel 1
    Der Brandy rettete ihm das Leben. Wie jeden Sonntagabend, wenn Schwester Ignatius die Bürde auf sich nahm, für Father Newberry eine «ordentliche Mahlzeit» zu kochen. Was in diesem Teil von Wisconsin im Klartext hieß: Hackfleisch, gegart in Dosensuppe.
    Die Art der Zubereitung variierte je nach Laune der guten Schwester: manchmal als Klopse, manchmal als Hamburger und einmal (ein unvergesslicher Anblick) als Hackröllchen, die auf beunruhigende Weise abgehackten Penissen in einer Kasserolle ähnelten ­ aber die Grundzutaten und die daraus resultierenden Magenbeschwerden waren immer die gleichen.
    Father Newberry hatte schon vor langer Zeit die Erfahrung machen müssen, dass Säurehemmer da nichts mehr ausrichten konnten. Nur der Brandy half und ließ ihn rasch in den Schlaf sinken, sodass er glückselig die Zeit vergessen konnte, während sein Magen mit den Dämonen focht, die Schwester Ignatius mit ihrer Freundlichkeit entfesselt hatte.
    An diesem Sonntagabend waren die Dämonen besonders zahlreich und grimmig gewesen. In einem Anfall von Gourmet-Wahn hatte die Schwester den Hackbraten in Gott weiß wie vielen verschiedenen Sorten Dosensuppe gegart. Als er darum gebeten hatte, sie möge ihm die Zutaten dieses gewagten kulinarischen Experiments verraten, hatte sie gekichert wie ein Schulmädchen und die Lippen mit einem imaginären Schlüssel verschlossen.
    «Ah, ein Geheimrezept.» Er hatte ihr rosiges Gesicht angelächelt und innerlich vor Angst gezittert, dass irgendwo in dem öligen Ozean, in dem ihr Hackbraten ertrunken war, auch Venusmuscheln lauerten.
    Und so war es dazu gekommen, dass man das Saftglas ein noch nie da gewesenes zweites Mal mit Brandy füllen musste, und Father Newberry war in seinem Lehnstuhl vor dem Fernseher im Handumdrehen eingenickt. Als er seine Augen wieder aufschlug, herrschte auf dem Bildschirm Schneegestöber, und die Uhr zeigte fünf Uhr morgens.
    Der Priester ging zum Fenster, um die Lampe auszuschalten, und sah den reifbedeckten Wagen auf dem Parkplatz der Kirche. Er kannte ihn nur zu gut: ein Ford Falcon unbestimmbaren Alters, der an dem Krebsgeschwür Rostfraß langsam vor sich hin starb. Kein Wunder, dass in einem Bundesstaat, wo man die Straßen so freizügig salzte wie die Speisen, die braune Pest etliche in die Jahre gekommene Autos dahinraffte.
    In einem Moment der Schwäche wünschte er, in sein Bett zurückschleichen und so tun zu können, als hätte er den Wagen nie gesehen. Der Wunsch blieb jedoch seine einzige Sünde, denn er befand sich bereits auf dem Weg zur Tür und zog seine Strickjacke über dem geschundenen Bauch fester zusammen, bevor er in die dunkle Kälte des Oktobermorgens hinaustrat.
    Die Kirche war alt und in ihrer Schlichtheit fast schon protestantisch, denn die Katholiken im ländlichen Wisconsin betrachteten jede Art von Prunk mit tief sitzendem Argwohn.
    Die Heilige Jungfrau wirkte wie aus Plastik und besaß eine verdächtige Ähnlichkeit mit der Schaufensterpuppe in der Auslage von Frieda's House of Fashion in der Main Street, und das einzige Bleiglasfenster war seltsamerweise an der Nordseite platziert, wo die Sonne seine Farben niemals funkeln lassen konnte in diesem Hort der Nüchternheit.
    Ein freudloser Ort in einem freudlosen Pfarrbezirk in einem freudlosen Bundesstaat, dachte Father Newberry, der das Kalifornien seiner Jugend vermisste, die inzwischen fast vierzig Jahre zurücklag. Wieder einmal beschlich ihn die Vermutung, dass alle schlechten Pfarrer nach Wisconsin versetzt wurden. John und Mary Kleinfeldt knieten in einer mittleren Kirchenbank, ihre Köpfe auf die gefalteten Hände gestützt und regungslos in jene fromme Hingabe versunken, die dem Father schon seit jeher beinahe zwanghaft erschien. Es war nicht ungewöhnlich für das alternde Ehepaar, die Kirche außerhalb der Messen und Andachten aufzusuchen ­ manchmal glaubte er, sie zögen die Einsamkeit der Gesellschaft anderer Gemeindemitglieder vor, die sie als von der Sünde verderbt erachteten. Aber er konnte sich nicht entsinnen, dass sie jemals so früh aufgetaucht waren.
    Die Situation ließ nicht an eine schnelle Rückkehr ins heimelige Pfarrhaus denken, auch wenn Father Newberry nicht die geringste Lust spürte, die Kleinfeldts zu fragen, welche Sorge sie heute hergeführt hatte. Denn die Antwort kannte er bereits.
    Er seufzte und schritt langsam den Gang entlang, von Pflichtgefühl und einem gütigen Herzen, wenn auch widerwillig, geleitet. «Guten Morgen,
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