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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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Seitdem bin ich nie länger als drei oder vier Monate irgendwo geblieben. Ich nehme an, ich bin immer auf der Suche nach einem Ort, an dem es noch schöner ist.«
    »Und du bist immer auf der Straße?«
    »Wenn es Arbeit gibt. Aber nicht immer. Letzten Winter habe ich mir einen Unterschlupf an einem Hang gegraben, zwei Meter tief. Ich hatte sogar einen Herd, den ich miraus drei Zwanzig-Liter-Stahleimern gemacht hatte. Es war irgendwie nett.«
    »Woher kommst du ursprünglich?«, fragte ich.
    »Ich bin in der Nähe von St. Louis aufgewachsen.«
    Ich sah auf sein Schild. »Dann fährst du jetzt nach Hause?«
    »Nicht, wenn ich es vermeiden kann. Das ist nur die nächstgrößere Stadt auf meinem Weg nach Arkansas.«
    »Hast du noch Familie in St. Louis?«
    »Wenn du mit Familie einen Haufen Halsabschneider meinst, die es nicht kümmert, ob du tot oder lebendig bist, ja. Ich habe nicht das Bedürfnis, irgendeinen von denen je wiederzusehen.« Er sah zu Boden. »Und was bist du, Penner oder Tramp?«
    »Weder noch«, sagte ich. »Ich bin nur zu Fuß unterwegs.«
    »Trampen geht schneller.«
    »Ich hab’s nicht eilig.«
    Er nickte. »Wo schläfst du?«
    »Kommt auf den Tag an. Oft in billigen Motels. Manchmal auf den Feldern.«
    »Dafür gibt es auch einen Trick«, sagte er. »Je Ärger mit den Cops gehabt?«
    »Bis jetzt nicht. Aber einmal wurde ich überfallen.«
    Er runzelte die Stirn. »Ich auch. Gehört mit dazu. Aber die Cops sind für mich das größere Problem. Am wichtigsten, wenn man auf der Straße schläft, ist es, außer Sichtweite zu bleiben.«
    Das wusste ich natürlich schon, aber ich erwähnte es nicht, da ich gern hören wollte, was er zu sagen hatte.
    »Bäume bieten im Allgemeinen die beste Deckung. Ich sehe mir meinen Schlafplatz immer aus allen Winkeln an, um sicher zu sein, dass ich von der Straße aus nicht zu entdecken bin. Außerdem stehe ich früh auf, normalerweise vorSonnenaufgang, um zurück zur Straße zu kommen. Es gibt nichts Schlimmeres, als um drei Uhr morgens von irgendeiner lästigen, blechernen Dienstmarke geweckt zu werden und gesagt zu bekommen, dass man verschwinden soll, egal, wie das Wetter ist oder wie weit man gehen muss, um zur nächsten Ausfahrt zu kommen.«
    »Das ist mir noch nicht passiert«, sagte ich.
    »Das wird es schon noch. Ein anderer guter Schlafplatz ist unter Highway-Überführungen. Dort gibt es oben meistens einen Vorsprung, der sich gut als Schlafkoje eignet. Natürlich musst du zuerst nachsehen, ob dort nicht schon jemand anders geschlafen hat. Die meisten Durchreisenden hinterlassen eine Spur von Bierdosen, Pappen, alten Klamotten, du weißt schon. Wenn du schon länger auf der Straße bist, hast du es bestimmt schon gesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Einmal habe ich eine Schlinge gefunden. Zum Glück hing keine Leiche darin.
    Vor allem musst du aufpassen, dass da keine Exkremente liegen. Das ist das größte Problem. Und wenn es bewölkt ist, suche ich den Boden nach Wasserspuren ab, nur um sicher zu sein, dass die Brücke nicht leckt.«
    »Danke für den Tipp«, sagte ich. »Und, ist es schwer, mitgenommen zu werden?«
    »Manchmal. Es ist wie bei allem anderen auch, es gibt Tage, da beißen die Fische einfach nicht an, aber meistens schon. Man könnte sagen, ich bin gut darin. Beim Trampen ist alles eine Frage der Psychologie. Zum Beispiel hatte ich früher einen roten Schlafsack. Von dem musste ich mich trennen. Rot, Gelb und Orange signalisieren Gefahr, und die Leute nehmen dich nicht so gern mit, wenn sie diese Farbe sehen. Ich habe nie eine Studie oder so darüber gelesen, aber ich kann dir sagen, ich habe es bewiesen.
    Die Wahrheit ist, wenn jemand überlegt, ob er einen Tramper mitnehmen soll, denkt er meistens nicht logisch. Zum Beispiel nehmen viele Leute keinen Tramper mit langen Haaren und einem Bart mit, weil sie glauben, er könnte ein Serienkiller sein. Das haben wir dem Fernsehen zu verdanken. Aber so ist es nicht. Sieh dir Ted Bundy an, den Zodiac-Killer, John Wayne Gacy, Son of Sam, den Green-River-Killer – alles ordentlich rasierte, anständig aussehende Typen. Das heißt, man könnte sagen, die beste Chance, mitgenommen zu werden, hat man, wenn man wie ein echter Serienkiller aussieht.« Er lachte über seinen Witz. »Unterm Strich ist es so, wenn du mitgenommen werden willst, musst du so aussehen, als ob du es nicht nötig hast, mitgenommen zu werden. Ich gebe mir immer alle Mühe, vorzeigbar auszusehen. Ich würde die Haare nie so
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