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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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weiter.
    Nach Marceline schienen sich die Städte zu verändern, schienen südlicher zu werden. Missouri war schon immer auf diese Weise geteilt. Selbst während des Bürgerkriegs war man sich nicht sicher, auf welcher Seite des Konflikts man stand.
    Am Ende des dritten Tages nach Marceline erreichte ich Monroe City, eine idyllische kleine Stadt, ähnlich wie Sidney. Die Häuser waren gepflegt, mit großen Veranden und schönen Gärten. Hier fand außerdem die erste Schlacht des Bürgerkriegs im Nordosten Missouris statt. Das erfuhr ich aus einer Broschüre, die ich mir im Besucherzentrum der Stadt mitnahm.
    Nach dem, was ich las, war die Schlacht eine unterhaltsame Angelegenheit, und die gesamte Einwohnerschaft von Monroe kam mit Wagen und Fuhrwerken angefahren, um zu picknicken und dem Tumult zuzusehen, der, wie sich herausstellte, mehr Getöse als Blutvergießen war.
    Der Konflikt brach aus, als sich eine Gruppe von Sympathisanten der Konföderierten in Monroe versammelte und Unionstruppen, angeführt von Colonel Smith, hingeschickt wurden, um sie zu zersprengen. Die Gegend war eine Brutstätte für Sezessionisten, und Colonel Smith und seine Leute waren bald zahlenmäßig unterlegen und gezwungen, in einem Gebäude Zuflucht zu suchen, das die ganze Stadt nur »das Seminar« nannte.
    Während die pro-sezessionistischen Truppen das Gebäude umzingelten, begann ihr Anführer, Honorable Thomas A. Harris – der bekannt dafür war, dass er gern ein großes Publikum hatte –, eine Ansprache vor der versammelten Menge zu halten, obwohl die keine Worte, sondern Taten sehen wollte.
    Harris erklärte, ohne eine Kanone wäre es das Beste, den Rückzug anzutreten, und entließ seine Männer. Seine Truppen lehnten das Angebot ab, und sobald ihre Kanone eintraf, wurde der Kampf wiederaufgenommen. Die Kanone war für neun Pfund schwere Kugeln bestimmt, aber die Soldaten hatten nur wenige Neun-Pfund-Kugeln, die sie bereits ohne größere Wirkung verbraucht hatten. Daher bestückten sie ihre Kanone nun mit Sechs-Pfund-Kugeln, die so ziellos durch die Luft flogen, dass sie sowohl die Schaulustigen aus Monroe als auch die konföderierten Soldaten selbst zersprengten. Letztere erklärten, dass sie sich nicht gern von ihren eigenen Leuten unter Beschuss nehmen ließen. Nach dem Angriff behaupteten die Soldaten der Südstaaten selbstironisch, der einzige sichere Ort sei vor der Kanone.
    Die Verstärkung der Unionstruppen traf bald darauf ein, um Colonel Smith zu unterstützen, und nach einer einzigen Kartätschenladung aus der Unionskanone zogen sich die Sezessionisten zurück, versteckten sich in Wagen und Fuhrwerken oder mischten sich unter die Leute mit den Picknickkörben.
    In der Zwischenzeit verbreiteten sich wilde Gerüchte über den Kampf, und einen Tag nach dem Ende des Konflikts traf Colonel Ulysses S. Grant mit über zweitausend Truppen am Schauplatz des Geschehens ein. Nachdem er erfahren hatte, dass die Schlacht vorbei war, zog er weiter nach Mexiko. So endete die Schlacht von Monroe.
    Ich kam am Rainbow Motel vorbei, vor dem ein Schild mit der Aufschrift »Schau hinein und entscheide dann« stand. Ich schaute hinein. Ich hatte das Gefühl, zurück in die Fünfzigerjahre getreten zu sein. Ein alter Pepsi-Verkaufsautomat stand zwischen der Bürotür und einem Plakat mit den Zehn Geboten.
    Ich nahm mir ein Zimmer für die Nacht. Am nächsten Tag erreichte ich Hannibal.

Vierundzwanzigstes Kapitel
    Das Leben findet man nicht auf einem Friedhof.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
    Abgesehen von Disneyland war das altehrwürdige Hannibal so ziemlich die zauberhafteste Stadt, die ich zu durchqueren hoffen konnte – ein Bilderbuch-Weiler, noch immer gesegnet von seinem Schutzpatron Samuel Clemens, besser bekannt als Mark Twain.
    Twain schrieb einmal über seine geliebte Heimatstadt:
    Noch jetzt, nach all den Jahren, kann ich mir ein genaues Bild der damaligen Zeit machen: schläfrig träumt die Stadt im Sonnenschein eines hellen Sommermorgens; die Straßen sind einsam; hier und da sieht man einen Kommis vor den Läden in der Water Street sitzen, den Holzstuhl hintenüber gegen die Wand gekippt … der große Mississippi, der majestätische, prächtige Mississippi, dessen Flut meilenweit dahinwogt, liegt glänzend im Sonnenschein …
    Wenn man nach Hannibal kommt, kann man sich die Stadt noch immer so vorstellen, wie Twain sie gesehen hat. Sie ist malerisch, mit sorgsam in Stand gehaltenen Straßen und Häusern, das
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