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Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)

Titel: Der Ruf des Kuckucks: Roman (German Edition)
Autoren: Robert Galbraith
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Die Menge, die sich auf der Straße versammelt hatte, brummte wie ein Fliegenschwarm. Vor den Absperrungen patrouillierten Polizisten, dahinter standen scharenweise Fotografen, die Kameras mit den langen Objektiven im Anschlag. Ihr Atem stieg wie eine Dampfwolke über ihnen auf. Beständig fiel Schnee auf Hüte, Mützen und Schultern. Behandschuhte Finger wischten über Kameralinsen. Hin und wieder ertönte ein Klicken, wenn sich einer der Umstehenden die Wartezeit damit vertrieb, Fotos von dem weißen Zelt mitten auf der Straße, dem Eingang zu dem hohen Backsteingebäude dahinter oder dem Balkon im obersten Stock zu machen – jenem Balkon, von dem der Körper gefallen war.
    Hinter den dicht gedrängten Paparazzi standen weiße Übertragungswagen mit gewaltigen Satellitenschüsseln auf den Dächern. Tontechniker mit Kopfhörern lungerten zwischen den einheimischen und ausländischen Journalisten herum. In den Aufnahmepausen stampften die Reporter auf und ab und wärmten sich die Hände an heißen Kaffeebechern aus einem nur wenige Straßen entfernten, hoffnungslos überfüllten Café. Um die Zeit totzuschlagen, filmten die Wollmützen tragenden Kameramänner die Rücken der Fotografen, den Balkon und das Zelt, das den Leichnam verbarg. Dann wieder hielten sie nach einer Position Ausschau, von der aus sie eine Totale von dem Chaos ergattern konnten, das in der beschaulichen, verschneiten Straße in Mayfair mit ihren glänzenden schwarzen Haustüren und den weißen, von sorgfältig gestutzten Büschen flankierten Säuleneingängen ausgebrochen war. Vor dem Eingang zu Nummer 18 war Absperrband angebracht. Im Flur dahinter konnte man mehrere Polizisten erkennen, darunter auch die Beamten von der Spurensicherung in ihren weißen Schutzanzügen.
    Die Fernsehsender hatten die Nachricht bereits vor mehreren Stunden gebracht. Zu beiden Enden der Straße hatte sich daraufhin ein interessiertes Publikum versammelt, das von weiteren Polizisten in Schach gehalten wurde. Einige waren eigens zum Gaffen gekommen, andere auf dem Weg zur Arbeit stehen geblieben. Viele hielten ihre Handys in die Höhe, um vor dem Weitergehen noch ein Foto zu machen. Ein junger Mann, der ganz offensichtlich nicht wusste, um welchen Balkon es sich handelte, fotografierte einfach alle nacheinander, obwohl der mittlere mit drei sorgfältig zu akkuraten Kugeln gestutzten Büschen so vollgestellt war, dass ein Mensch nur mit Mühe darauf Platz gefunden hätte.
    Eine Gruppe junger Mädchen hatte Blumen mitgebracht. Sie wurden dabei gefilmt, wie sie sie den Polizisten überreichten. Diese wussten nicht so recht, wohin damit, und legten sie behutsam in einen Einsatzwagen – im Bewusstsein, dass die Kameralinsen jede ihrer Bewegungen beobachteten.
    Die von den Nachrichtensendern ausgesandten Reporter hielten den stetigen Fluss der Kommentare und Spekulationen um die wenigen bekannten, aber umso sensationelleren Fakten aufrecht.
    »… heute um zwei Uhr morgens aus ihrer Penthouse-Wohnung. Die Polizei wurde vom Sicherheitsdienst des Anwesens alarmiert …«
    »… keine Anstalten gemacht, den Leichnam abzutransportieren, was Anlass zu der Vermutung gibt …«
    »… noch unbekannt, ob sie zum fraglichen Zeitpunkt allein …«
    »… haben das Gebäude betreten, um eine gründliche Durchsuchung …«
    Kaltes Licht durchflutete das Innere des Zeltes. Zwei Männer kauerten neben dem Körper und warteten darauf, ihn endlich in einen Leichensack legen zu können. Um den Kopf der Toten war ein wenig Blut in den Schnee geflossen. Ihr Gesicht war zerschmettert und geschwollen. Ein Auge ähnelte nur noch einer Falte in der Haut, das andere war lediglich als mattweißer Spalt zwischen den aufgedunsenen Lidern sichtbar. Ihr Paillettentop glitzerte im Licht und erweckte dadurch beinahe den Anschein, als würde sie noch atmen oder die Muskeln anspannen, um sich im nächsten Moment aufzurichten. Die Schneeflocken klopften wie sanfte Fingerspitzen auf die Zeltleinwand über ihr.
    »Wo bleibt der gottverdammte Rettungswagen?«
    Detective Inspector Roy Carvers Zorn wuchs zusehends.
    Das Gesicht des dicken Mannes hatte die Farbe von Corned Beef, und für gewöhnlich befanden sich auf seinen Hemden in Achselnähe große Schweißflecken. Sein von Natur aus äußerst kurzer Geduldsfaden war schon vor geraumer Zeit gerissen. Er war schon fast so lange hier wie der Leichnam. Vor Kälte spürte er seine Füße nicht mehr, und ihm war schwindlig vor Hunger.
    »Rettungswagen kommt in
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