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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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lang tragen wie du. Schreckt die Leute ab.«
    »Dann ist es ja ein Glück, dass ich nicht trampe«, sagte ich.
    »Noch etwas, worüber du Bescheid wissen solltest, sind die Trucker-Raststätten. Trucker-Raststätten können lebensrettend sein, wenn man weiß, wie man sich da verhalten muss. Das Erste, was ich tue, wenn ich zu einer Trucker-Raststätte komme, ist, meinen Rucksack im Gebüsch davor zu verstecken, damit sie nicht wissen, dass ich trampe. Dann kann ich mich unter die Trucker mischen und in der Truckerlounge sitzen und mich aufwärmen oder abkühlen, fernsehen, irgendwas.
    Man lernt Tricks, weißt du. Wenn die Trucker bei einer Tankstelle volltanken, bekommen sie ein Duschticket. Die kann ich auf eine Meile erkennen. Ich frage die Typen auf dem Weg zu ihren Trucks, ob sie ein Duschticket übrig haben, und meistens geben sie mir eines. Manchmal bitte ichdie Geschäftsführung der Trucker-Raststätte um ein Ticket. Ich sage ihnen, dass ich kein Schnorrer bin und niemanden belästigen werde, und manchmal geben sie mir einfach ein Duschticket.
    Aber egal, wie sehr du auf ein ordentliches und anständiges Aussehen achtest, manche Leute sehen dich trotzdem an, als wärst du ein Stück Dreck, nur weil sie in einem Auto sitzen und du nicht. Ich habe schon vor Jahren aufgehört, die Leute in den Autos anzusehen, nur um nicht auszuflippen. Manche Leute sehen dich an, als ob du an ihren Schuhsohlen klebst, wirklich wahr. Ich habe schon Leute gesehen, die sind mit vierzig Meilen in der Stunde an mir vorbeigefahren und haben ihre Türen verriegelt.
    Und dann gibt es die Kopfschüttler. Sie sehen dich an einer Ausfahrt warten und schütteln den Kopf, nein. Das ist entwürdigend. Ich schau mir die Autos an, damit ich nicht wie ein durchgeknallter Irrer aussehe, aber ich schau mir die Leute nicht an. Es gibt zu viele Türenverriegler und Kopfschüttler auf dieser Welt.
    Natürlich, die besten Chancen, mitgenommen zu werden, hat man immer noch als Frau. Frauen werden von Truckern jederzeit mitgenommen.«
    Das war bei Pamela bestimmt der Fall, dachte ich.
    »Eines Tages werde ich ein Buch mit dem Titel Die Psychologie des Trampens schreiben. Was meinst du?«
    »Das klingt interessant«, sagte ich.
    »Du weißt wohl nichts über das Verlegen von Büchern, oder?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid.«
    »Fragen kostet ja nichts.«
    Wir gingen einen Augenblick schweigend nebeneinanderher.
    »Siebzehn«, sagte ich. »Du musst manchmal einsam sein.«
    Er runzelte die Stirn. »Ja. Manchmal. Ich meine, ich hätte gerne eine Frau, aber jemanden zu finden, der so leben will wie ich, ist nicht sehr wahrscheinlich. Es gibt Frauen, die gern auf der Straße sind, aber auf jede von ihnen kommen zehntausend Typen, das heißt, die werden ganz schnell weggeschnappt. Außerdem, um Frauen zu treffen, muss man in Unterkünften übernachten oder mit dem Zug fahren, und das habe ich beides noch nie besonders gemocht.« Er seufzte leise auf. »Und, was ist deine Geschichte? Warum bist du auf der Straße?«
    Ich überlegte kurz, wie viel ich preisgeben sollte, dann entschied ich, ihm alles zu erzählen. »Ich habe meine Frau letztes Jahr verloren, nachdem sie sich bei einem Reitunfall die Wirbelsäule gebrochen hatte. Während ich mich um sie gekümmert habe, wurde mir meine Firma gestohlen. Ich habe alles verloren. Binnen weniger Wochen hatte ich meine Frau, meine Firma, mein Haus und meine Autos verloren. Alles weg. Also habe ich meine Sachen gepackt und bin losgegangen. Key West war der am weitesten entfernte Ort, den ich erreichen konnte, ohne zu schwimmen, daher habe ich beschlossen, dorthin zu gehen.«
    »Das tut mir alles sehr leid«, sagte er mitfühlend. »Es gibt viel Schlimmes auf dieser Welt. Was dir dein Bruder nicht antut, das wird Gott dir antun.« Er sah sich um und hob die Hände. »Hier draußen kämpft jeder für sich allein. Diese Speichellecker bei den Sonntagstreffen erzählen dir, dass Gottes Schönheit in der Natur offenbar ist. Aber ihre Sichtweise ist einseitig. Die Wahrheit ist, die Natur ist grausam, mit roten Zähnen und Klauen.« Er sah über den Mais hinaus. »Auf diesem Feld dort draußen herrscht in diesem Augenblick Tod und Terror.«
    »Ich sehe dort viel Mais, um Menschen zu ernähren«, sagte ich.
    »Na klar, es gibt Sonnenuntergänge und Rosen und diesen ganzen Scheiß, aber es gibt auch die Fliege, die im Netz zappelt, während eine Spinne ihr das Leben aussaugt. Es gibt Wölfe, die ein Rehkitz
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