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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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mich bei sich aufnahm; eine junge Mutter, bei der ich in Sidney, Iowa, übernachtete; den alten Mann, dem ich in Hannibal begegnete, der auf der Suche nach seiner Frau über Friedhöfe streifte; und die Frau, die ich traf, als ich mein Hotel inCuster, South Dakota, verließ. Dies ist auch ihre Geschichte, nicht nur die meine.
    Noch einmal, willkommen auf meinem Weg.

Erstes Kapitel
    Man kann nie wissen,
was eine neue Straße bringen wird.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
    Custer, South Dakota, ist eine schmucke kleine Stadt voller Touristen, in der Nähe des Mount Rushmore und des Crazy Horse Memorial. Ich verbrachte zwei Tage in Custer, um mich nach einer langen und emotional anstrengenden Wegstrecke durch den Osten Wyomings zu erholen. Am Sonntag war ich bereit, meine Reise fortzusetzen. Es war ein kühler Maimorgen, und ich stand im Morgengrauen auf, duschte und rasierte mich. Der Luxus meiner zeitweiligen Umgebung war mir nicht entgangen. In den kommenden Wochen, die mich durch das kahle Ödland von South Dakota führen würden, würde ich ohne ein weiches Bett und warmes Wasser auskommen müssen.
    Ich breitete meinen Straßenatlas auf dem Bett aus und studierte ihn ein paar Minuten, während ich mit dem Finger verschiedene Wege nachzog. Dann, sobald ich mich für eine Route entschieden hatte, markierte ich sie mit einem Stift. Mein nächstes Ziel war 1300 Meilen weit entfernt: Memphis, Tennessee, über St. Louis. Von Custer aus würde ich nach Norden gehen, bis sich mein Weg mit der Interstate 90 kreuzte, und dann durch das Ödland von South Dakota etwa vierhundert Meilen ostwärts bis Sioux Falls.
    Am Abend zuvor hatte ich fünf Paar Socken im Waschbecken des Hotels gewaschen. Sie waren alle grau und zerschlissen und kurz vor dem Verfallsdatum. Bedauerlicherweise waren sie auch noch feucht. Ich steckte sie in den Wäschebeutel aus dem Hotelschrank und packte sie in meinen Rucksack. Dann schlüpfte ich in meine verschwitzten Socken vom Tag zuvor, schnürte meine Schuhe zu und verließ das Hotel.
    Auf dem Weg durch die Hotellobby bemerkte ich eine Frau, die in einem der Sessel in der Nähe der Rezeption saß. Sie hatte graue Haare, obwohl sie eigentlich zu jung aussah, um schon ergraut zu sein. Sie trug einen langen, schwarzen Wollmantel und einen burgunderroten Seidenschal um den Hals. Sie war schön, oder war es einmal gewesen, und irgendetwas an ihr machte es einem schwer, den Blick abzuwenden. Irgendetwas an ihr kam mir bekannt vor. Seltsamerweise musterte sie mich ebenfalls mit einem faszinierten Blick. Als ich nur noch ein paar Schritte von ihr entfernt war, sagte sie: »Alan.«
    Ich blieb stehen. »Entschuldigung?«
    »Sie sind doch Alan Christoffersen?«
    Als ich sie so ansah, war ich mir sicher, dass wir uns schon einmal begegnet waren, aber ich konnte sie nicht einordnen. »Ja«, erwiderte ich. »Der bin ich.« Dann wurde mir klar, wer sie war.
    Bevor ich etwas sagen konnte, fuhr sie fort: »Ich habe Sie wochenlang gesucht.«

Zweites Kapitel
    Es gibt Leute wie Benedict Arnold oder Adolf Hitler, deren Namen zu Synonymen für das Böse werden. Für mich ist »Pamela« ein solcher Name.
    A LAN C HRISTOFFERSENS T AGEBUCH
    Die Frau war McKales Mutter.
    »Pamela«, sagte ich. Es war ein Name, den ich nie ohne Schmerz oder Wut – im Allgemeinen mit beidem – ausgesprochen hatte. Dieser Name schien mir als Kind und später sogar als Erwachsener für alles zu stehen, was mit der Welt im Argen lag. Pamela war die Quelle von McKales größter Angst – ein ständiger Stachel in ihrem Herzen. Es gab einen guten Grund, weshalb ich sie nicht auf Anhieb erkannt hatte. Ich war Pamela nur ein einziges Mal begegnet, bei McKales Beerdigung, und hatte damals alles gesagt, was ich ihr je sagen wollte.
    »Was wollen Sie?«, fragte ich.
    »Ich hatte gehofft, mit Ihnen zu reden«, sagte sie.
    »Worüber?«
    Sie schluckte nervös. »Alles.«
    »Alles«, wiederholte ich. Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Wir haben nichts zu bereden.«
    Sie schien betroffen, aber nicht besonders verblüfft von meiner Reaktion. »Das kann ich Ihnen nicht verdenken, aber ich habe einen langen Weg hinter mir …«
    Einen Moment sah ich sie an, dann schulterte ich meinenRucksack. »Ich auch.« Ohne ein weiteres Wort wandte ich mich ab und ging durch die Hoteltür ins Freie.
    In der Stadt Custer wimmelte es von Touristen. Es herrschte dichter Verkehr, und auf den Gehsteigen der Mount Rushmore Road drängten sich Leute, die das Monument
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