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So weit die Hoffnung trägt - Roman

So weit die Hoffnung trägt - Roman

Titel: So weit die Hoffnung trägt - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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nach unseren Zimmern erkundigt. Leider haben wir keines frei. Wir haben nur vier Zimmer.«
    Ich runzelte die Stirn. Ich hatte mich schon darauf gefreut, dort zu übernachten. »Wissen Sie irgendetwas in der Nähe, wo ich übernachten könnte?«
    Sie dachte einen Moment nach. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es etwa eine halbe Meile nördlich von hier ein Bed & Breakfast gibt. Es heißt Holly irgendwas. Holly Inn, glaube ich.«
    »Am Highway?«
    Sie nickte. »Wenn Sie immer nach Norden gehen, können Sie es nicht verfehlen.«
    »Danke«, sagte ich. »Ich werde es mir ansehen, nachdem ich gegessen habe.«
    Mein Essen kam schnell – noch ein Vorteil der kurzen Speisekarte. Zu dem Filet mignon wurden grüner Salat, selbst gemachtes Ranch-Dressing und gebutterter, dick geschnittener Toast gereicht.
    »Haben Sie sonst noch einen Wunsch?«, fragte Heidi.
    »Nein«, sagte ich. »Ist hier immer so viel los?«
    »Das ganze Jahr über. Im Hotel auch. Die Zimmer sind hübsch.« Ein verschmitztes Grinsen huschte über ihr Gesicht. »Es spukt dort, aber sie sind hübsch.«
    »Es spukt?«
    »Ja, aber das sollte ich Ihnen vermutlich nicht sagen.«
    »Woher wissen Sie, dass es dort spukt? Haben Sie schon einmal ein Gespenst gesehen?«
    »Nein. Aber eine der anderen Kellnerinnen hat gesagt, sie hätte eines gesehen.«
    »Und Sie glauben ihr?«
    »Sie hat mich noch nie belogen. Außerdem geht es gar nicht darum, was sie gesagt hat, sondern wie sie es gesagt hat. Es war mitten an einem Freitagabend, an dem viel los war. Sie war auf der Personaltoilette hinter der Küche. Während sie sich die Hände gewaschen hat, hat sie in den Spiegel gesehen. Genau hinter ihr stand eine Frau in einem Kleid aus dem achtzehnten Jahrhundert. Wir haben sie alle schreien hören.
    Ich bin hineingegangen, um nach ihr zu sehen, und sie war kreidebleich und hat gezittert. Sie sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. Sie hat den Job sofort hingeschmissen, und ich musste an dem Abend ihre ganzen Tische übernehmen. Seitdem hat sie nie wieder einen Fuß in dieses Haus gesetzt.« Sie sah mich an, beobachtete meine Reaktion. »Jedenfalls, ich lasse Sie besser essen, bevor es kalt wird. Auf der Rückseite der Speisekarte steht noch mehr über das Hotel. Bon appétit.«
    Ich schnitt in das Steak. Das Fleisch war meisterhaft zubereitet und so zart, dass ich es mit der Gabel hätte zerteilen können. Ich nahm ein paar Bissen, dann griff ich nach der Speisekarte. Die Geschichte des Hotels stand auf der Rückseite, und ich las, während ich weiteraß.
    Hill City war eine Goldwäscherstadt, die während des Goldrauschs im Westen gegründet wurde. Ihr Erfolg war von kurzer Dauer, die Goldwäscher zogen bald weiter und überließen die Stadt zwei Bewohnern – einem Mann und seinem Hund.
    1883 erfuhr die Stadt erneut einen Aufschwung, als größere Zinnvorräte entdeckt wurden und ein englisches Bergbauunternehmen Millionen investierte, um die Harney Peak Tin Mining, Milling, and Manufacturing Company auf die Beine zu stellen. Das Unternehmen errichtete den Gasthof – damals unter dem Namen Harney Peak Hotel – als Luxusunterkunft für die leitenden Angestellten des Bergbauunternehmens. Wie schon das frühere Bergbauvorhaben hielt auch der Zinnrausch nicht lange an, und mit der Stadt ging es erneut bergab, bis der Mount Rushmore die Gegend wiederbelebte und das Gold der Touristen anlockte.
    1974 kaufte eine Deutsche namens Wally Matush das Harney Peak Hotel und benannte es in Alpine Inn um. Inzwischen waren übersinnliche Erscheinungen keine Seltenheit mehr, und die neuen Geschäftsführer scheuten sich nicht, ihren Gästen zu erzählen, dass es in dem Hotel spukte. Wally bat sogar darum, nach ihrem Tod unter dem Hotel begraben zu werden, um mit den anderen Geistern über die Flure ziehen zu können.
    Während ich von diesen Spukgeschichten las, musste ich unwillkürlich wieder an Pamela denken. Ich fragte mich, was aus ihr geworden war, nachdem ich sie stehen gelassen hatte. Zum ersten Mal, seit sie aufgetaucht war, hatte sich meine Wut so weit gelegt, dass ich meinen Gefühlen objektiv auf den Grund gehen konnte. Trotz meiner Wut war ich in dieser Situation irgendwie hin- und hergerissen. Ein Teil vonmir hatte das Gefühl, auch nur mit Pamela zu reden wäre ein Verrat an McKale. Ein anderer Teil, vielleicht der höflichere, hielt es für falsch, sie nicht wenigstens sagen zu lassen, wofür sie so weit gekommen war.
    Ich drängte den Konflikt aus
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