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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt
Autoren: Frank Bill
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1
    Ich kann meine Babys vom Knast aus nicht ernähren, dachte Jarhead Earl. Aber das hier war seine Chance, Zeek und Caleb ein besseres Leben zu ermöglichen.
    Mit dem Daumen drückte er zwei weitere Laufgeschosse in die Kammer der Flinte.
    Das Klicken des ersten Geschosses hatte in Dote Conrads Ohren widergehallt, gleich nachdem er Jarhead das Kaliber-12-Automatik mit maximaler Mündungsverengung gereicht hatte.
    »Nimm die Hände hoch«, sagte Jarhead mit erhobenem Lauf. »Dreh dich um, aber langsam.«
    Dote hätte sich irgendeines der Gewehre oder Flinten schnappen können, die die Wand hinter dem Tresen seines Waffenladens säumten. Aber keines davon war geladen.
    Also hob er seine haarigen Gliedmaßen, hielt sie wie das Torgestänge auf einem Footballfeld – Hände gleichauf mit den Ohren, die unter seiner braunen Truckercap hervorlugten, auf der vorne eine verblichene Südstaatenflagge prangte. Er trug ein graues T-Shirt. Rote Hosenträger spannten sich über einem Bierfaßbauch. Am Bund seiner Tarnfleckhose hingen Messingkarabiner. »Ich kann’s dir auch zurücklegen«, sagte er, »falls du’s nicht heute kaufen willst. Ist ja auch noch etwas hin bis zur Rotwildsaison.«
    »Einen Scheiß werd ich kaufen«, sagte Jarhead. »Du gehst zum Ende der Theke. Ich werd dir zum Safe hinten folgen. Es sei denn, du hast genug in der Kasse.«
    Jeder in Hazard wusste, dass Dote seine Erlöse nur einmal im Monat zur Bank brachte. Den Safe und die Kasse immer voll mit großen Scheinen hatte. Niemals eine geladene Pistole hinter demTresen aufbewahrte. In dem Kleinstadt-Waffenladen irgendwo in den Hügeln des südöstlichen Kentucky, wo jeder nach der ersten Klasse wusste, wen er heiraten und mit wem er Kinder haben würde, hatte nie Anlass zur Sorge bestanden, ausgeraubt zu werden.
    »Ich weiß«, startete Dote einen Versuch, »die Zeiten sind hart. Gibt keine Arbeit, wo die Wirtschaft so am Arsch ist. Hab gehört, der Staat braucht bald Leute im Straßenbau. Aber was auch immer du brauchst, du wirst es nicht kriegen, indem du tust, was auch immer du mit der Flinte vorhast.«
    Zeek und Calebs schmutzverschmierte Gesichter marterten Jarheads Hirn mit ihrem Wimmern – Hunger Dada . Für Dotes Vorschläge hatte er keine Zeit. »Lass erst mal gucken, was du in der Kasse hast.«
    »Jarhead, ich kann nicht …«
    Jarhead schwenkte den Lauf gut sechzig Zentimeter weg von Dote. Pustete ein Loch in die Wand. Die Hülse knallte auf den Tresen. Ein weiteres Geschoss klickte an seinen Platz. Dote klingelten die Ohren, als er nach dem Lauf griff. Jarhead beugte sich über den Tresen. Presste Dote den heißen Lauf auf die Hände. Rammte ihn wie einen Speer in seine korallenrote Nase. Knorpel barsten. Dote brüllte. »Scheiße!« Tränen fielen aus seinen blinzelnden Augen.
    »Ich werd nicht bitte sagen«, meinte Jarhead.
    Dote bog sich weg vom Lauf. Seine Tarnhose wurde dunkel im Schritt. Schwabbelige Hautlappen hingen ihm von den Armen. Schweiß legte sich über die Altersflecken auf seiner Stirn. Er kam sich schwach und idiotisch vor, wusste, dass, hätte er eine Schusswaffe, er diesen Wichser von Dieb erschießen würde. Er watschelte zur Kasse, während er sich selbst verfluchte – von wegen, wer hätte auch gedacht, da würde einer seine eigene beschissene Munition mitbringen. Drückte ein paar Knöpfe und öffnete die Kasse mit einer Hand, während er sich mit der anderen die Nasehielt. Zog einen Packen Zwanziger aus der Lade. Dann je einen Packen Zehner und Fünfer. Legte sie auf den Glastresen.
    »Zähl es mir laut vor«, befahl Jarhead.
    Als Dote eintausend Dollar abgezählt hatte, brüllte Jarhead: »Stop!«
    Ein halber Packen Zwanziger war übrig. »Du willst nicht alles?«, sagte Dote durch seine zugequollene Nase.
    »Brauch nicht alles.« Jarhead hielt die Flinte einhändig, griff sich in die Gesäßtasche, legte eine Plastiktüte von Walmart auf den Tresen. »Pack die tausend hier rein.«
    Dote stopfte das Geld in die Tüte. Blut sprenkelte die Geldscheine. Er schob Jarhead das Päckchen rüber, der es sich schnappte und sagte: »Verschränk die Finger hinterm Kopf. Dreh dich um. Geh nach hinten.«
    Der Gedanke, seine Frau nie wiederzusehen, die frittierte, nach dem Geheimrezept ihrer Mutter panierte Hühnchenleber aß und Home Shopping Network schaute, sorgte dafür, dass Dotes Körper von Panik durchzuckt wurde. »Jetzt komm schon, warte mal!«, flehte er.
    Jarhead wies mit dem Flintenlauf. »Dreh dich um!« Dote
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