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128 - Sohn der Ratten

128 - Sohn der Ratten

Titel: 128 - Sohn der Ratten
Autoren: Dämonenkiller
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Nicht schon wieder, dachte Dunja Dimitrow entsetzt und riß die Augen weit auf.
    Ihre Hände ließen das Besteck sinken und umkrallten die Tischkante. Langsam senkte sie den Blick und stierte den Teller an, auf dem ein halb verzehrter Ossetrina Saliwnaja lag.
    „Schmeckt Ihnen der Fisch nicht, Genossin?" erkundigte sich Dr. Leonid Jewutschenko, der ihr gegenübersaß und sie nicht aus den Augen ließ.
    Das hübsche schwarzhaarige Mädchen blickte den Parapsychologen an und lächelte verkrampft.
    Ihre dunkelbraunen Augen waren starr und schienen durch ihn hindurchzusehen.
    „Sie kommen mir schon seit einigen Tagen verändert vor, Genossin", sprach Jewutschenko weiter. Seine gedehnte Stimme drang wie durch einen dicken Vorhang zu ihr. Genossin war das einzige Wort, das sie verstanden hatte. Er war einer der wenigen, der diese Anrede verwendete; die meisten Wissenschaftler sagten Genossin nur, wenn es unbedingt notwendig war.
    Dunja schob den Teller zur Seite, griff nach den Zigaretten und steckte sich eine an. Sie saß an einem Tisch im großen Speisesaal des Alexander-Nimskij-Instituts und blickte jetzt Jewutschenko an. Er trug eine randlose Brille, die seine dunkelblauen Augen betonte. Das kastanienbraune Haar hatte er extrem kurz geschnitten. Sein Gesicht war rund und die Nase platt und breit. Er war so wie Dunja vierundzwanzig Jahre alt und hatte seit einiger Zeit ein Auge auf die hübsche Suggestologin geworfen.
    „Es geht schon", flüsterte Dunja und sog an der Zigarette.
    „Was ist mit Ihnen los, Genossin? Ich mache mir Sorgen um Sie. Sie sollten sich gründlich untersuchen lassen."
    Dunja versuchte wieder ein Lächeln, das aber kläglich mißlang. Seit ein paar Tagen verfolgten sie die unheimlichen Alpträume, die in einer ihr unbegreiflichen Fantasiewelt spielten, die voll von grauenhaften Monstern war. In diesen furchtbaren Träumen kamen aber auch Menschen vor, immer wieder die gleichen, von denen sie die Namen kannte und an deren Schicksal sie lebhaften Anteil nahm. Manchmal schien ihr, als würde es sich gar nicht um Alpträume handeln; ein paarmal hatte sie den Eindruck gewonnen, es wäre alles real, was sie vor ihrem geistigen Auge zu sehen bekam; und bis zum heutigen Tag hatte sie es nicht gewagt, mit irgend jemandem über diese Träume zu sprechen.
    Ihre Lider wurden schwer. Sie drückte die Zigarette aus.
    „Ihr Finger zittert ja, Genossin!"
    Wieder strömten die unheimlichen Empfindungen auf Dunja ein. Ein gequältes Seufzen kam über ihre farblos gewordenen Lippen. Ihre volle Brust hob sich rascher.
    Sie wußte ganz genau, daß sie nur noch kurze Zeit dem Ansturm der Alpträume standhalten konnte. Ruckartig schob sie den Stuhl zurück und stand auf. „Bis später, Genosse Jewutschenko!"
    „So warten Sie doch!" sagte der Wissenschaftler überrascht und stand auf.
    Doch Dunja hörte nicht auf ihn. Rasch lief sie zwischen den Tischreihen auf die hohe Ausgangstür zu. Einige neugierige Blicke folgten ihr.
    In der Garderobe riß sie ihren Mantel an sich, hing ihn sich über die Schultern und lief zum Aufzug. Sie hatte Glück. Im letzten Augenblick betrat sie die Kabine, lehnte sich an die Wand und strich sich langsam mit der rechten Hand über die heiße Stirn. Aus der Innentasche des Mantels zog sie eine Wollmütze, die sie sich über den Kopf stülpte.
    Zwei Minuten später verließ sie das Institut. Sie knöpfte den schweren Pelzmantel zu und rannte auf eines der in der Nähe liegenden Wohnhäuser zu.
    Es war dunkel. Nur der matte Schein der Peitschenlampen erhellte die breiten Wege. Der festgestampfte Schnee knirschte unter ihren kniehohen Stiefeln.
    Hoffentlich schaffe ich es bis zu meiner Wohnung, dachte sie verzweifelt.
    Vor zwei Tagen war sie auf einer Toilette zusammengebrochen und erst nach einer Stunde erwacht. Die Vorstellung, hier im Schnee umzukippen, war alles andere als angenehm.
    Sie lief keuchend weiter. Ihr Atem hing wie eine kleine, weiße Wolke vor ihrem Gesicht. Die beißende Kälte ließ ihre Augen tränen.
    Erleichtert atmete sie auf, als sie das Haus betrat. Sie ging langsam auf einen der Aufzüge zu. Alles vor ihren Augen flimmerte. Sie hörte Stimmen um sich, verstand aber kein Wort davon.
    Nur undeutlich bekam sie mit, daß sie den Aufzug betrat und im fünften Stockwerk ausstieg. Ihre Bewegungen waren ruckartig. Das Stampfen der Stiefel auf dem Boden hallte überlaut in ihren Ohren.
    Vor ihrer Wohnungstür blieb sie stehen. Sie suchte nach dem Schlüssel und fand ihn
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