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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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Straßen Thebens keine Frau mehr sicher war. Denn Haremhab verzieh seinen Kriegern alle Missetaten, die er noch beschönigte. Wenn sich die Armen ihrer Töchter wegen mit Klagen an ihn wandten, erklärte er ihnen, sie sollten stolz darauf sein, daß die Soldaten Ägyptens ein starkes Geschlecht zeugten: er haßte die Frauen, betrachtete sie bloß als Gebärerinnen und gönnte ihnen keine andere Würde.
    Mit der Zeit wurde Haremhab immer mißtrauischer. Eines Tages kamen seine Wächter zu mir ins Haus, zogen mir Sandalen an und legten mir ein Tuch um, und nachdem sie mit den Speerschäften die Kranken von meinem Hof vertrieben hatten, führten sie mich vor Haremhab. Es war im Frühling, die Wasser waren zurückgetreten, und die Schwalben flitzten mit unruhigem Gezwitscher pfeilschnell über den mit gelbem Schlamm vermischten Fluten hin und her. Die Wächter schleppten mich vor Haremhab, der in den letzten Jahren so sehr gealtert war, daß sich sein Nacken gebeugt hatte und sein Gesicht gelb geworden war und die Muskeln an seinem hochgewachsenen, hageren Körper wie Geschwülste aussahen. Er blickte mir in die Augen, in denen keine Freude mehr wohnte, und sprach:
    »Sinuhe, ich habe dich wiederholt warnen lassen. Aber du kümmerst dich nicht darum, sondern sagst immer noch zu den Leuten, der Beruf des Kriegers sei der niedrigste und verächtlichste aller Berufe, für die Kinder sei es besser, im Mutterleib zu sterben, als zu Kriegern geboren zu werden, zwei bis drei Kinder genügten für eine Frau und es sei für eine Mutter vorzuziehen, mit drei Kindern glücklich als mit zehn Kindern arm und unglücklich zu sein. Auch hast du behauptet, alle Götter seien gleich und alle Tempel dunkle Häuser, und der Gott des falschen Pharao sei trotz allem der größte der Götter gewesen. Ferner hast du gesagt, der Mensch habe nicht das Recht, einen anderen Menschen als Sklaven zu kaufen oder zu verkaufen, und das Volk, welches pflügt und sät und erntet, dürfe die Felder, die es bebaut. und die Scheunen, die es füllt, als sein Eigentum beanspruchen, selbst wenn der Boden dem Pharao oder einem Gott gehören sollte. Schließlich hast du die kühne Behauptung aufgestellt, daß meine Gewalt sich nicht wesentlich von derjenigen der Hetiter unterscheide; und noch viel tollere Dinge hast du geschwatzt. Ein anderer wäre für weit weniger aufrührerische Reden schon längst in die Steinbrüche verschickt worden, um unter Stockhieben zu arbeiten. Ich aber habe dir Langmut erwiesen, Sinuhe, weil du einmal mein Freund warst und ich dich, solange der Priester Eje noch lebte, als Zeugen gegen ihn benötigte. Jetzt aber bedarf ich deiner nicht mehr; du könntest mir im Gegenteil durch manches, was du über mich weißt, schaden, solange du lebst. Wärest du vernünftig, so würdest du ein ruhiges Leben geführt und dich mit deinem Los zufriedengegeben haben; denn dir hat wahrlich nichts gefehlt. Statt dessen aber speit dein Mund Schmutz auf mich, und das ertrage ich nicht länger!«
    Während er so redete, steigerte sich sein Zorn, er begann seine mageren Schenkel mit der Peitsche zu bearbeiten, runzelte die Brauen und fuhr fort: »Wahrlich, du bist mir ein Sandfloh zwischen den Zehen und eine Viehbremse auf der Schulter gewesen! Ich dulde in meinem Garten keine Büsche, die statt Frucht zu tragen, nur giftige Dornen hervorbringen. Es ist wieder Frühling im Lande Kêmet, die Schwalben beginnen sich für den Sommer im Schlamm zu vergraben, während die Wasser zurücktreten, die Taube girrt und die Akazien blühen. Es ist eine gefährliche Zeit. Der Frühling zeugt stets Unruhe und eitles Gerede, aufgehetzte Gesellen sehen rot vor den Augen und heben Steine vom Boden, um sie gegen die Wächter zu werfen, und es ist sogar vorgekommen, daß meine Bildnisse im Tempel mit Ochsenmist besudelt wurden. Da könnten deine verrückten Worte als Funken wirken, die das dürre Schilf entzünden, und wenn dieses einmal Feuer gefangen hat, verbrennt es flammend zu Asche. Deshalb muß ich dich aus Ägypten verbannen, Sinuhe. Du sollst Kêmet nie mehr wiedersehen, weil sonst der Tag käme, an dem ich dich töten lassen müßte; das aber will ich nicht tun, weil du einstmals mein Freund gewesen bist. Ich bin mir darüber klar, daß böse Worte zuweilen gefährlicher sind als Speere; ich verstehe die Hetiter gut, die ihre Zauberer am Wegrand aufspießen lassen, und ich will Ägypten von der Gefahr säubern, wie ein guter Gärtner das Unkraut aus den
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