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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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Gemüsebeeten jätet. Denn ich gestatte nicht, daß das Land Kêmet nochmals in Brand gesteckt wird, weder um der Menschen noch um der Götter willen! Deshalb verbanne ich dich, Sinuhe, weil du gewiß nie ein Ägypter gewesen bist, sondern eine seltsame Mißgeburt, ein Mischling, dessen krankes Gehirn verderbliche Gedanken ausbrütet.«
    Vielleicht hatte er recht, und es rührte die Qual meines Herzens gerade daher, daß in meinen Adern das heilige Blut der Pharaonen sich mit dem von der untergehenden Sonne gebleichten Blut des sterbenden Mitani vermischt hatte. Dennoch konnte ich mich eines Kicherns nicht erwehren und hielt mir aus Höflichkeit die Hand vor den Mund, um das Lachen zu unterdrücken. Seine Worte hatten mich sehr erschreckt; denn Theben war meine Vaterstadt, in der ich aufgewachsen war, und ich wollte nirgends anderswo als in Theben leben. Mein Gelächter beleidigte Haremhab sehr; denn er hatte erwartet, daß ich mich vor ihm aufs Gesicht werfen und ihn um Gnade anflehen würde. Deshalb ließ er seine Peitsche durch die Luft sausen und rief:
    »So soll es denn geschehen! Ich verbanne dich für alle Zeiten aus Ägypten, und wenn du stirbst, darf dein Leichnam nicht zurückgebracht und im Lande Kêmet begraben werden, wenn ich auch gestatte, daß er nach altem, gutem Brauch zur Erhaltung nach dem Tode einbalsamiert werde. Deine Leiche soll an der Küste des östlichen Meeres bestattet werden, von wo die Schiffe nach dem Lande Punt segeln. Dorthin will ich dich auch verbannen; denn nach Syrien kann ich dich nicht verschicken, weil dieses Land immer noch ein schwelender Gluthaufen ist, der keinen Blasebalg benötigt; ebensowenig mag ich dich in das Land Kusch ausweisen, da du behauptest, die Hautfarbe des Menschen sei ohne Bedeutung und daher seien die Ägypter und die Neger gleichen Wertes. Du würdest den Negern Flausen in den Kopf setzen. Jene Küstengegend aber ist öde und verlassen, und dort kannst du nach Belieben den roten Fluten des Meeres und dem schwarzen Wüstenwind Reden halten und von den Bergen herab den Schakalen und Raben und Schlangen predigen. Die Wächter sollen das Gebiet, auf dem du dich bewegen darfst, ausmessen und dich, falls du seine Grenzen überschreitest, mit ihren Speeren umbringen. Sonst aber soll dir nichts fehlen, dein Lager soll bequem und deine Nahrung reichlich sein, und jeder angemessene Wunsch soll dir erfüllt werden; denn die Einsamkeit ist dir Strafe genug, und ich will dich, meinen einstigen Freund, nicht schwerer belasten, wenn ich nur meinen Zweck erreiche und deine irrsinnigen Reden loswerde.«
    Ich fürchtete jedoch die Einsamkeit nicht, weil ich ja mein Leben lang einsam gewesen und schon zur Einsamkeit geboren war; aber mein Herz schmolz vor Wehmut bei dem Gedanken, daß ich Theben nie mehr wiedersehen noch die weiche Erde des schwarzen Landes betreten oder das Wasser des Nils trinken dürfte. Deshalb sagte ich zu Haremhab:
    »Ich besitze nicht viele Freunde; denn die Menschen meiden mich meines bitteren Sinnes und meiner scharfen Zunge wegen. Aber du gestattest mir wohl, meinen wenigen Freunden Lebewohl zu sagen. Auch möchte ich gerne von Theben Abschied nehmen, noch einmal durch die Widderstraße wandeln, den Duft des Weihrauchs zwischen den bunten Säulen des großen Tempels und den Geruch gebratener Fische im Armenviertel einatmen, wenn die Frauen ihre Feuer vor den Lehmhütten anzünden und die Männer mit müden Schultern von der Arbeit heimkehren.«
    Haremhab hätte meinen Wunsch sicherlich erfüllt, wenn ich geweint und mich vor ihm zu Boden geworfen hätte; denn er war ein äußerst eitler Mann, und seine Feindseligkeit gegen mich beruhte zweifellos vor allem auf dem Bewußtsein, daß ich ihn nicht bewunderte und in meinem Herzen nicht als den wahren Pharao anerkannte. Aber obgleich ich ein schwacher Mensch mit einem Lämmerherzen war, wollte ich mich doch nicht vor ihm demütigen, weil der Geist sich nie der Gewalt unterwerfen darf. Deshalb hielt ich mir wieder die Hand vor den Mund, als ich meine Angst hinter Gähnen verbarg; denn immer, wenn ich mich am heftigsten fürchte, werde ich maßlos schläfrig, und darin unterscheide ich mich wohl von den meisten anderen Menschen. Da sprach Haremhab:
    »Ich gestatte kein unnützes Abschiednehmen und keine langen Umschweife. Ich bin ein Krieger und ein aufrechter Mann, der keine Schwäche duldet. Deshalb will ich es dir leicht machen, indem ich dich unverzüglich fortschicke, um jeden Auflauf und jede
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