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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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Backenknochen verliehen. Auch waren auf den Bildnissen seine beiden Augen sehend, und er saß mit gekreuzten Beinen in Gedanken versunken da, eine Schriftrolle auf den Knien und einen Schreibstift in der Hand, obwohl er in Wirklichkeit nicht einmal den Versuch unternommen hatte, lesen und schreiben zu lernen, sondern seine Schreiber es für sich tun ließ, wie diese denn auch alle großen Zahlen für ihn ausrechneten. Diese Bildnisse belustigten Kaptah sehr, und die Ammonpriester, denen er nach seiner Rückkehr aus Syrien unermeßliche Geschenke Übermacht hatte, um in Eintracht mit den Göttern zu leben, ließen im großen Tempel seine von ihm gestiftete Bildsäule aufführen.
    Auch ließ er sich ein mächtiges Grab in der Totenstadt bauen, und Künstler schmückten dessen Wände mit zahlreichen Bildern aus seinem täglichen Leben und von seinen Vergnügungen. Sie stellten ihn sehend und vornehm und schlank dar; denn er wünschte, die Götter zu täuschen und in das Land des Westens so einzugehen, wie er gerne ausgesehen hätte, nicht aber so, wie er in Wirklichkeit aussah. Trotzdem blieb er zu Lebzeiten lieber so, wie er war, weil ihm das Vornehmsein zu viel Mühe verursacht haben würde. Zu diesem Zwecke ließ er auch für sein Grab das kunstreichste und verworrenste Totenbuch, das ich je gesehen, anfertigen: es umfaßte zwölf Rollen Bilder mit Text und Beschwörungen zur Beschwichtigung der unterirdischen Geister, zur Ausrüstung der Waage des Osiris mit falschen Gewichten und zur Bestechung der gerechten Paviane. Das alles ließ er ausführen, weil er Vorsicht für eine Tugend hielt, obwohl er sonst nicht gern an den Tod dachte und unseren Skarabäus immer noch mehr als jeden anderen Gott verehrte. Ich gönnte Kaptah gerne seinen Reichtum und sein Glück und auch allen anderen ihre Freude und Zufriedenheit und wollte die Menschen nicht mehr ihrer Einbildungen berauben, wenn diese sie glücklich zu machen vermochten. Denn das Leben des Menschen ist vielfach aus Träumen gewoben. Deshalb ist die Wahrheit schlimm und bitter, und manchen Menschen bringt man besser um, als ihm seine Träume zu zerstören. Darum hütete ich mich, den Menschen ihre Traumgebilde zu vernichten, solange diese sie beglückten und sie sich, ohne Böses zu tun, mit ihrem Wahn zufriedengaben.
    Meine Stirn aber kühlten keine Träume, und keine Freude schenkte meinem Herzen Frieden. Keine Arbeit verlieh mir Ruhe, obwohl ich in diesen Jahren sehr beschäftigt war, zahlreiche Kranke heilte und verschiedenen Menschen die Schädel öffnete, wobei nur ihrer drei starben, was mir einen großen Ruf als Schädelbohrer eintrug. Ich war ewig unzufrieden. Vielleicht hatte mich auch Mutis mürrisches, bitteres Wesen angesteckt, so daß ich alle Menschen, denen ich begegnete, unaufhörlich tadelte. Kaptah machte ich Vorwürfe über seine Prasserei, den Armen über ihre Faulheit, den Reichen über ihre Selbstsucht, den Richtern über ihre Gleichgültigkeit; keiner konnte es mir recht machen, ich war mit allen Leuten unzufrieden und schmähte sie. Nur Kranke und Kinder schalt ich nicht; ich pflegte die Kranken, ohne ihnen unnützen Schmerz zu verursachen, und ließ Muti Honigkuchen unter die kleinen Knaben der Straße verteilen, deren Augen mich an die klaren Augen Thoths erinnerten.
    Die Menschen sagten von mir: »Dieser Sinuhe ist ein langweiliger, verbitterter Mann! Seine Leber ist geschwollen, und die Galle läuft ihm über, wenn er spricht. Er ist zu früh gealtert und kann sich des Lebens nicht mehr freuen. Auch vermag er nachts keinen Schlaf zu finden, weil ihn seine Untaten verfolgen. Wir wollen ihn daher mit Wohlwollen behandeln und uns nicht um sein Geschwätz kümmern; denn seine Zunge sticht ihn selber mehr als andere.«
    So verhielt es sich auch. Wenn ich genug genörgelt hatte, litt ich selbst darunter und vergoß Tränen und gab den Faulpelzen Getreide, zog mein Gewand aus, um damit einen Betrunkenen zu kleiden, bat die Reichen für meine Schmähungen um Verzeihung und glaubte an die Redlichkeit der Richter. Das geschah, weil ich immer noch ein Schwächling war und meine Natur nicht ändern konnte.
    Aber ich verleumdete auch Haremhab, und in meinen Augen waren alle seine Handlungen schlecht. Am meisten aber bekrittelte ich seine Soldaten, die er mit den Vorräten des Pharao aushielt und die ein müßiges Leben führten, in Bierschenken und Freudenhäusern mit ihren Heldentaten prahlten und die Töchter der Armen schändeten, so daß in den
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