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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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daß kein Mensch im goldenen Haus blieb. So leitete Baketamon Haremhab in ihr Lusthaus; doch als er sie voller Ungeduld in seine Arme nehmen wollte, wehrte sie ihm sanft und sagte:
    »Zügle noch für eine Weile dein männliches Begehren, Haremhab, damit ich dir erzähle, mit welch großer Mühe ich dieses Lusthaus erbaut habe! Ich hoffe, du entsinnst dich der Worte, die ich äußerte, als du mich das letztemal mit Gewalt nahmst. Betrachte daher genau diese Steine und wisse, daß jeder Stein in den Wänden und im Fußboden eine Erinnerung an meine Fleischeslust mit einem anderen Mann bedeutet. Wie du siehst, ist die Zahl dieser Andenken nicht gering. Aus meinen Genüssen habe ich dieses Lusthaus zu deinen Ehren erbaut, Haremhab! Den großen weißen Stein hier brachte mir ein Fischausweider, der toll in mich verliebt war, und den grünen dort erhielt ich von einem Latrinenentleerer vom Kohlenmarkt, während mir die acht braunen Steine daneben von einem Gemüsehändler geschenkt wurden, der in meinem Schoß unersättlich war und meine Liebeskunst höchlich pries. Wenn du dich geduldest, will ich dir die Geschichte eines jeden Steines erzählen, Haremhab, da wir ja reichlich Zeit dazu haben. Noch viele Jahre liegen vor uns, und auch unsere alten Tage werden wir gemeinsam verbringen; doch glaube ich, daß die Anekdoten über diese Steine bis in mein hohes Alter reichen werden, wenn ich dir jedesmal, da du mich umarmen willst, einige davon schildere.«
    Haremhab schenkte ihren Worten anfangs keinen Glauben, sondern hielt sie für einen übermütigen Scherz, um so mehr, als Baketamons zurückhaltendes Gebaren ihn täuschte. Als er ihr aber in die mandelförmigen Augen blickte, entdeckte er darin einen Haß, der schlimmer war als der Tod – und nun mußte er ihren Worten glauben. Und als er deren ganze Tragweite erkannte, geriet er außer sich vor Zorn und griff nach seinem hetitischen Messer, um Baketamon, die seine Mannheit und seine Eitelkeit so fürchterlich verletzt hatte, umzubringen. Sie aber entblößte ruhig ihre Brust und sprach spöttisch:
    »Stoß zu, Haremhab, und stich dir mit dem Messer die Kronen vom Haupte! Denn ich bin eine Priesterin der Sekhmet und von heiligem Geblüt: wenn du mich tötest, hast du dein Anrecht auf den Thron der Pharaonen verwirkt.«
    Ihre Worte brachten Haremhab zur Besinnung; denn er war gezwungen, in Eintracht mit ihr zu leben, weil ihm nur die Ehegemeinschaft mit ihr gesetzliches Recht auf die Kronen der Pharaonen verlieh. So fesselte ihn Baketamon, und er vermochte nichts gegen sie. Ihre Rache jedoch vollendete sich, als er nicht einmal wagte, ihr Lusthaus abreißen zu lassen, und es alle Tage, wenn er aus seinen Zimmern ins Freie blickte, vor Augen haben mußte. Nach reiflicher Überlegung fand er keinen anderen Ausweg, als Unkenntnis über Baketamons Benehmen zu heucheln. Wenn er befohlen hätte, das Lusthaus niederzulegen, hätten alle verstanden, daß ihm bekannt war, wie Baketamon das ganze Volk Thebens auf sein Lager hatte spucken lassen. Deshalb zog er es der öffentlichen Schande vor, hinter dem Rücken verlacht zu werden. Fortan aber ließ er Baketamon in Ruhe und lebte einsam, und zur Ehre seiner Gemahlin muß gesagt werden, daß sie desgleichen tat, weiteren Bauunternehmungen entsagte und sich mit ihrem schönen Lusthaus begnügte.
    So erging es Haremhab, und ich glaube nicht, daß er noch viel Freude an seinen Kronen hatte, als die Priester ihn salbten und ihm die rote und die weiße, die des Oberen und die des Unteren Landes aufsetzten. Er wurde mißtrauisch, und auf keinen Menschen verließ er sich fortan ohne Rückhalt, weil er annehmen mußte, daß ihn jeder Baketamons wegen insgeheim verlache. So trug er für immer einen Dorn in seiner Lende, und sein Herz fand keinen Frieden. Auch konnte er sich nicht mit anderen Frauen trösten; denn die erlittene Kränkung war zu grausam gewesen, als daß er noch mit Frauen hätte Fleischeslust treiben wollen. Deshalb betäubte er seinen Kummer und seine Bitterkeit mit Arbeit und begann den Mist aus Ägypten hinauszukehren, um alles wieder zum alten zurückzuführen und das Recht an Stelle des Unrechtes zu setzen.

    7

    Um gerecht zu sein, muß ich nämlich auch von Haremhabs guten Taten berichten. Das Volk pries seinen Namen, hielt ihn für einen guten Herrscher und zählte ihn schon nach seinen ersten Regierungsjahren zu den großen Pharaonen Ägyptens. Das geschah namentlich darum, weil er scharf hinter den Reichen und
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