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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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Soldaten verkaufen. Wahrlich, Sinuhe, es gibt viele Möglichkeiten, sich die Langeweile in der Freizeit zu vertreiben, um nicht auf eitle Gedanken zu kommen. Wein und Weiber sind nicht die übelsten Mittel, und auch beim Würfelspiel vergeht die schlechte Laune rasch, obwohl dies für einen schwachen Mann wie du, mein Herr Sinuhe, ein gefährliches Vergnügen ist, wenn du mir gestattest, dies zu sagen. Doch um Ammons willen: würfle, vergeude dein Gold an Frauen, betrinke dich, tu, was du willst, nur stürze dich nicht durch deine wahnwitzigen Reden ins Verderben! Denn ich liebe dich sehr, mein Herr Sinuhe, und will nicht, daß dir etwas Böses widerfahre!«
    Ferner sprach er: »Nichts ist vollkommen auf Erden, an jedem Brot ist die Rinde verbrannt, jede Frucht ist wurmstichig, und der Mensch, der Wein getrunken hat, leidet an Katzenjammer. Deshalb gibt es auch keine vollkommene Gerechtigkeit, sondern jede Gerechtigkeit enthält auch eine Ungerechtigkeit; gute Taten können böse Folgen zeitigen, und die beste Absicht kann, wie dich Echnatons Beispiel gelehrt, zu einem Unmaß an Tod und Untergang führen. Sieh mich an, Sinuhe: ich begnüge mich mit meinem Los, nehme in Eintracht mit den Göttern und den Menschen an Gewicht zu, die Richter des Pharao verneigen sich vor mir, und die Leute preisen meinen Namen, während dir, Sinuhe, die Hunde an die Beine pissen. Beruhige dich also, mein Herr: du kannst nichts dafür, daß die Welt so ist, wie sie ist, noch daß sie immer so gewesen ist und auch immer so bleiben wird.«
    Ich sah seine Beleibtheit und seinen Reichtum und beneidete ihn sehr um seine Gemütsruhe. Ich sagte zu ihm: »Dein Wille geschehe, Kaptah, ich werde mich beruhigen und meinen Beruf wieder aufnehmen. Aber sage mir, gedenkt man Atons noch, und verfluchen ihn die Menschen immer noch? Ich frage dies, weil du seinen Namen nanntest, obwohl solches verboten ist, und derjenige, der es dennoch tut, in die Gruben verschickt oder mit dem Kopf nach unten an die Stadtmauer gehängt werden kann.«
    Kaptah sagte: »Wahrlich, Aton wurde ebenso rasch vergessen, wie in Achetaton die Säulen einstürzten, die Mauern zerbröckelten und die Fußböden sich mit Sand bedeckten. Aber ich habe noch einige Künstler Bilder im Stile Atons zeichnen sehen, es gibt Märchenerzähler, die gefährliche Sagen erdichten, und zuweilen sieht man auf dem Markt das Kreuz Atons im Sand. Auch kommt es vor, daß Besucher der öffentlichen Aborte das Kreuz an die Wände sudeln. Somit dürfte Aton noch nicht ganz tot sein.«
    »Dein Wille geschehe!« versprach ich ihm abermals. »Ich werde mich beruhigen und meinen Beruf wieder ausüben; ebenso will ich deinen Rat befolgen und mich zum Zeitvertreib als Sammler betätigen. Da ich aber nicht gern andere Leute nachahme, werde ich etwas sammeln, was keiner sammelt: nämlich alle Menschen, die sich noch an Aton erinnern!« Kaptah glaubte, ich scherze, und lachte über meine Worte wie über einen guten Witz; denn er wußte ebensogut wie ich, wieviel Böses Aton über Ägypten und auch über mich selbst gebracht hatte. Alsdann unterhielten wir uns in Eintracht über allerlei Fragen, und Muti brachte uns Wein, den wir zusammen tranken, bis sich seine Sklaven einfanden, um ihm beim Aufstehen behilflich zu sein – denn seiner Beleibtheit wegen fiel es ihm schwer, allein auf die Beine zu kommen – und er verließ mein Haus in seiner Sänfte. Am folgenden Tag aber sandte er mir kostbare Gaben, die mir das Leben bequem und üppig machten, weshalb zu meiner Freude nichts gefehlt haben würde, wenn ich überhaupt vermocht hätte, Freude zu empfinden.

    6

    Also ließ ich das Ärzteschild von neuem über der Tür meines Hauses anbringen, begann meinen Beruf wieder auszuüben und verlangte von meinen Patienten Geschenke, die ihren Vermögensverhältnissen angepaßt waren; von den Armen aber heischte ich nichts, weshalb mein Hof zwar vom Morgen bis zum Abend von Kranken wimmelte, ich aber doch keinen großen Gewinn hatte. Während des Pflegens horchte ich die Patienten vorsichtig über Aton aus; denn ich wollte sie nicht erschrecken und wünschte auch nicht, daß ungünstige Gerüchte über mich verbreitet würden; mein Ruf in Theben war bereits schlecht genug. Mit der Zeit aber merkte ich, daß Aton vergessen war und von niemand mehr verstanden wurde. Höchstens entsannen sich die Aufwiegler und diejenigen, denen Unrecht widerfahren war, seiner und gestalteten ihn nach ihrem eigenen Sinn und dem erlittenen
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