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Liebe unter kaltem Himmel

Liebe unter kaltem Himmel

Titel: Liebe unter kaltem Himmel
Autoren: Nancy Mitford
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    Ich bin genötigt, diese Erzählung mit ein paar Andeutungen über die Geschichte der Familie Hampton zu beginnen, denn es muss ein für alle Mal gesagt werden, dass die Hamptons sehr vornehm waren und sehr reich. Ein kurzer Blick in den Adelskalender von Burke oder den von Debrett würde diese Tatsache hinreichend deutlich machen, aber nicht jeder hat diese wuchtigen Bände bei der Hand, und die einschlägigen Bücher von Lord Montdores Schwager, Boy Dougdale, sind allesamt vergriffen. Sein großes Talent für den Snobismus hat im Verein mit seinem geringen Talent für die Literatur drei ausführliche Studien über die Ahnen seiner Gattin hervorgebracht, aber lesen kann sie heutzutage nur, wer zuvor einen Buchhändler darum bittet, sie antiquarisch zu besorgen. (Der Buchhändler setzt alsdann eine Annonce in sein Branchenblatt Die Clique : »H. Dougdale, alles, dringend gesucht«, und wenig später hagelt es Exemplare zu einem Shilling das Stück. Stolz unterrichtet er seinen Kunden, er habe »tatsächlich gefunden, was Sie suchten« – womit er stundenlanges Herumstöbern in den Handkarren der fliegenden Buchhändler andeutet –, »spottbillig für dreißig Shilling alle drei«.)
    Georgiana Lady Montdore und ihr Kreis , Die großen Montdores und Alte Chroniken von Hampton – sie liegen neben mir, während ich dies schreibe, und der erste dieser Bände beginnt so:
    »Zwei Damen, die eine brünett, die andere blond, beide jung und hübsch, fuhren an einem schönen Maimorgen in munterem Tempo auf das kleine Dorf Kensington zu. Es waren Georgiana, Gräfin von Montdore, und ihre beste Freundin Walburga, Herzogin von Paddington. Es war ein Anblick von entzückender Lebhaftigkeit, wie sie die brennende Frage des Augenblicks erörterten: Sollte man für ein Abschiedsgeschenk an die arme, liebe Fürstin von Lieven zeichnen oder nicht?«
    Gewidmet ist dieses Buch Ihrer Königlichen Hoheit, der Großherzogin Peter von Russland, mit gnädiger Erlaubnis, und es hat acht ganzseitige Abbildungen.
    Es sei auch nicht verschwiegen, dass sich diese triste Trilogie nach ihrem ersten Erscheinen beim Publikum der Leihbibliotheken einiger Beliebtheit erfreute.
    »Die Familie Hampton ist im Westen Englands alteingesessen, und tatsächlich schreibt Fuller in seinen Berühmten Männern , sie sei von staunenswertem Alter.«
    Bei Burke ist sie sogar noch etwas älter eingesessen als bei Debrett, aber beide tauchen bis ins Mittelalter hinab und fördern aus dem Nebel der Zeiten Vorfahren mit Schicksalen wie bei Walter Scott und mit Namen wie Ug und Bert und Thred ans Licht, die den neuesten Romanen von P. G. Wodehouse entnommen sein könnten. »Seine Lordschaft wurde seiner Ehrenrechte für verlustig erklärt – enthauptet – verurteilt – geächtet – des Landes verwiesen – von einer wütenden Menge aus dem Kerker geschleift – bei der Schlacht von Crécy erschlagen – ging mit Wilhelm, dem Sohn Heinrichs I., auf dem ›Weißen Schiff‹ unter – fiel im Dritten Kreuzzug – starb im Zweikampf.«
    Natürliche Todesfälle gibt es aus dieser nebelhaften Frühzeit kaum zu berichten. Und sowohl Burke als auch Debrett verweilen mit unverhohlenem Vergnügen bei einem Gegenstand von so echtem Schrot und Korn wie dieser Familie, unverfälscht von den Zweideutigkeiten weiblicher Linien und irgendwelcher Eigentumsübertragungen. Auch vermochte keines jener abscheulichen Bücher, die es im 19. Jahrhundert unter dem Deckmantel genealogischer Interessen auf die Verunglimpfung des Adels abgesehen hatten, dieser Urtümlichkeit etwas anzuhaben. Barone von hohem Wuchs und goldblondem Haar, ehelich geboren und einander allesamt sehr ähnlich, folgten in Hampton einer dem anderen, auf einem Grund und Boden, der nie gekauft und nie verkauft worden war, bis im Jahre 1770 der damalige Lord Hampton von einem Besuch in Versailles eine französische Braut heimführte, eine Mademoiselle de Montdore. Der Sohn, der aus dieser Verbindung hervorging, hatte braune Augen, einen dunklen Teint und vermutlich – auf allen Porträts ist es nämlich gepudert – schwarzes Haar. Die Schwärze indessen hielt sich in der Familie nicht; er heiratete eine Erbin mit goldenem Haar aus Derbyshire, und die Hamptons kehrten zu der blonden Blauäugigkeit zurück, für die sie bis auf den heutigen Tag berühmt sind.
    Der Sohn der Französin war klug und weltgewandt; er betätigte sich in der Politik und verfasste ein Buch mit Aphorismen. Eine tiefe, lebenslange Freundschaft
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