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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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stießen einander mit den Ellbogen und zwinkerten sich gegenseitig zu. Ich aber sagte:
    »Ich spreche lieber zu euch, weil ihr das Volk seid und eure Zahl wie die der Sandkörner oder der Sterne ist und alles Böse und alles Unrecht wie auch alles Gute von euch ausgeht. Auch seid ihr nicht schuldlos; denn wenn ihr geheißen werdet zu gehen, so geht ihr und tut, was man euch befiehlt. Da kommen oft die Werber des Pharao zu euch, schenken euch Kupfer und Tuchstücke und geben euch Speere in die Hand, um euch in den Krieg zu führen; und wenn ihr nicht folgt, werdet ihr gebunden und gefesselt und in den Krieg gezwungen, wo ihr Menschen, die euresgleichen sind, verletzt und tötet, eurem Bruder den Bauch aufschlitzt und auf eure Taten mächtig stolz seid. Und doch ist der Totschlag ein gemeinsames Verbrechen, und das vergossene Blut kommt über eure Häupter. Deshalb seid ihr wahrlich nicht unschuldig.«
    Einige von ihnen sannen über meine Worte nach und meinten seufzend: »Wahrlich, keiner von uns ist schuldlos; aber wir wurden in eine böse Welt geboren, und weinend traten wir aus dem Mutterleib ins Leben. Deshalb folgen uns die Tränen auf allen Lebenswegen, Knechtschaft ist unser ewiges Los, und die Priester zwingen uns durch Zauberei, noch nach dem Tod für unsere Herren zu arbeiten, indem sie den Holzbildnissen, die unsere Gebieter ins Grab begleiten, unsere Namen verleihen. Geh zu den Reichen und Vornehmen, um mit ihnen von diesen Dingen zu sprechen! Denn wir sind der Meinung, die Bosheit und Ungerechtigkeit gehe von ihnen aus, weil sie die Machthaber sind; aber klage nicht uns an, wenn sie dir wegen deiner Worte die Ohren abschneiden und dich in die Gruben verschicken oder mit dem Kopf nach unten an die Mauer hängen! Deine Äußerungen sind gefährlich. Wenn einer von uns so redete, würden wir uns nicht getrauen, zuzuhören; bei dir aber können wir es wagen, weil du offensichtlich ein harmloser Narr bist. Am gefährlichsten aber sind deine Worte über den Krieg, weil Mannesehre im Krieg das Töten verlangt. Haremhab, unser großer Feldherr, würde dich auf der Stelle umbringen lassen, wenn er dich so zum Volke reden hörte, obwohl er sonst ein kraftloser Mann ist, der nicht einmal seine Frau zu befriedigen vermag.«
    Ich befolgte ihren Rat und wandte ihren Lehmhütten den Rücken. Barfuß, im grauen Gewand der Armen, ging ich durch die breiten Straßen Thebens und sprach zu den Kaufleuten, die Sand ins Mehl mischten, zu den Mühlenbesitzern, die den Sklaven Knebel in den Mund steckten, damit sie von dem Getreide, das sie zu mahlen hatten, nichts verzehrten, zu den Richtern, die den Waisen ihr Erbe stahlen und für große Geschenke ungerechte Urteile fällten. Ich sprach zu ihnen allen, tadelte sie ihrer Untaten und ihrer Bosheit wegen, und sie hörten voll Staunen auf meine Worte. Zueinander aber sagten sie: »Wer ist eigentlich dieser Arzt Sinuhe, der so kühne Worte spricht, obgleich er das Gewand eines Sklaven trägt? Seien wir vorsichtig! Er ist gewiß ein Spion des Pharao. Sonst würde er sich nicht erdreisten, so zu uns zu sprechen.« Deshalb hörten sie mich geduldig an; die Kaufleute hießen mich eintreten und boten mir Geschenke an, die Mühlenbesitzer gaben mir Wein zu trinken, und die Richter fragten mich um Rat, um ihre Urteile danach zu fällen. So kam es, daß sie Urteile zugunsten der Armen gegen die Reichen aussprachen, wodurch sie große Unzufriedenheit erregten und es in Theben hieß: »Jetzt kann man sich nicht einmal mehr auf die Richter des Pharao verlassen! Sie sind größere Betrüger als die Diebe, die sie verurteilen.«
    Aber als ich mich an die Edelleute wandte, verhöhnten sie mich, hetzten ihre Hunde auf mich und ließen mich durch ihre Diener mit Peitschenhieben aus ihren Höfen treiben, so daß meine Schmach groß war und ich mit zerrissener Kleidung und bluttriefenden Beinen, die Hunde dicht auf den Fersen, durch die Straßen von Theben floh. Die Leute lachten über mich und schlugen sich auf die Knie, die Kaufleute und die Richter des Pharao, die meine Schande sahen, schenkten meinen Worten kein Gehör mehr, sondern verjagten mich und riefen die Wächter, mich mit den Speerschäften zu schlagen. Und sie sagten zu mir: »Wenn du mit deinen falschen Anklagen noch mal zu uns kommst, lassen wir dich als Verleumder und Volksaufwiegler aburteilen, und die Raben werden deinen an der Mauer hängenden Leib zerhacken!«
    Da kehrte ich schmachbedeckt in das einstige Haus des
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