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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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sind. Deshalb habe ich sie ebenso satt bekommen wie die endlos rollenden Wellenkämme des Meeres.
    Doch muß ich erwähnen, daß eines Tages im ersten Jahr, da ich hier in diesem Dorf aus verfallenen Hütten und gebleichten Knochen wohnte und die Schiffe wieder nach Punt abgefahren waren, Muti mit einer Karawane des Pharao aus Theben zu mir reiste. Sie kam zu mir, streckte die Hände in Kniehöhe vor, begrüßte mich und weinte bitterlich über meinen erbärmlichen Zustand; denn meine Wangen waren eingefallen, mein Magen verschrumpft, und ich kümmerte mich um nichts mehr, sondern starrte nur zum Zeitvertreib aufs Meer hinaus, bis mich der Kopf schmerzte. Aber Muti erholte sich rasch und begann mich heftig mit Vorwürfen zu überschütten:
    »Habe ich dich nicht tausendmal gewarnt, Sinuhe, nicht deiner männlichen Natur wegen den Kopf in die Schlinge zu stecken? Aber Männer sind tauber als Steine und benehmen sich wie dumme Jungen, die sich den Schädel an der Wand einrennen müssen, obwohl die Wand dabei nicht im geringsten nachgibt. Wahrlich, mein Herr Sinuhe, du hast oft genug versucht, mit dem Kopf durch die Mauern zu rennen! Es ist höchste Zeit, daß du dich beruhigst und das Leben eines Weisen zu führen beginnst.«
    Als ich sie aber tadelte und sagte, sie hätte nicht aus Theben zu mir kommen sollen, weil sie nun nie mehr dorthin zurückkehren dürfe, sondern ihr Leben als dasjenige eines Verbannten binde, was ich niemals erlaubt haben würde, wenn ich ihre Absicht geahnt hätte, hielt sie mir wieder eine lange Rede und sprach:
    »Im Gegenteil! Nichts Besseres hätte dir widerfahren können als diese Verbannung! Ich glaube, daß Pharao Haremhab dein wahrer Freund ist, weil er dir für das Alter einen so friedlichen Wohnort angewiesen hat. Auch ich habe mehr als genug von der Hetze Thebens und den streitsüchtigen Nachbarn, die sich Kochgeschirre ausleihen und sie nicht zurückbringen und ihre Abfälle in meinen Hof werfen. Offen gestanden war das einstige Haus des Kupferschmieds nach der Feuersbrunst nicht mehr wie zuvor; die Braten verbrannten im Ofen, das Öl in den Krügen wurde ranzig, es zog am Boden um die Füße, und unaufhörlich knarrten die Fensterläden. Hingegen können wir hier ganz neu anfangen und alles nach unserem Geschmack einrichten. Ich habe bereits einen vorzüglichen Platz für den Garten ausersehen, wo ich Küchenpflanzen und Brunnenkresse anpflanzen werde, die du als Gewürz in den Tunken so gern hast. Wahrlich, ich werde diesen faulen Drohnen, die dir der Pharao zum Schutz gegen Räuber und Verbrecher mitgegeben hat, Beine machen! Alle Tage sollen sie mir auf die Jagd nach frischem Fleisch und auf Fischfang gehen und Muscheln und Krabben am Strand sammeln, obgleich ich befürchte, daß die Seefische und Meeresmuscheln nicht so gut sind wie diejenigen des Flusses. Auch werde ich mir mit deiner Erlaubnis rechtzeitig einen Grabplatz aussuchen; denn nachdem ich nun hergekommen bin, werde ich diesen Ort nie mehr verlassen. Denn ich habe es satt, auf der Suche nach dir von Ort zu Ort zu fahren, und das Reisen macht mir Angst, weil ich nie zuvor einen Fuß aus Theben hinausgesetzt hatte.«
    So tröstete mich Muti und heiterte mich auf, und ich glaube, es war ausschließlich ihr Verdienst, daß ich mich wieder an das Leben klammerte und zu schreiben begann. Denn ich hätte es als großes Unrecht gegen sie empfunden zu sterben und sie auf ihre alten Tage allein in der Verbannung zurückzulassen. Sie regte mich zum Schreiben an, und so handhabte ich fleißig meinen Stift, obwohl sie selbst nicht des Lesens kundig war und, so glaube ich, im stillen meine Schreiberei als eitle Torheit betrachtete. Aber sie wollte, daß ich eine Beschäftigung habe, die meinem Leben in der Verbannung einen Sinn verlieh, und sie sorgte dafür, daß ich nicht spät abends schrieb, um mir nicht die Augen zu verderben, und daß ich mäßig und mit Ruhepausen arbeitete und all die guten Gerichte, die sie mir kochte, genoß. Ihrem Versprechen gemäß trieb sie die Wächter des Pharao zur Tätigkeit an und verbitterte ihnen das Leben, weshalb diese hinter ihrem Rücken über sie fluchten und sie Hexe und Krokodil schimpften. Aber sie wagten nicht, sich gegen sie aufzulehnen; denn sie wehrte jeden derartigen Versuch mit den schärfsten Worten ab, und ihre Zunge war spitzer als die Pike, mit der man die Ochsen beim Schlittenziehen anstachelt.
    Auch glaube ich, daß Muti einen sehr gesunden Einfluß auf sie ausübte; denn
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