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Sinuhe der Ägypter

Sinuhe der Ägypter

Titel: Sinuhe der Ägypter
Autoren: Mika Waltari
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Kundgebung deinetwegen zu vermeiden; denn du bist bekannter in Theben, als du vielleicht selbst ahnst. Und darum sollst du auch in einer geschlossenen Sänfte reisen. Wenn dir aber jemand in die Verbannung folgen will, erlaube ich es; doch muß er die ganze Zeit bei dir bleiben und darf den Verbannungsort auch nach deinem Tod nicht verlassen, sondern muß selbst dort sterben. Denn gefährliche Gedanken sind ansteckend wie die Pest und werden von einem Menschen auf den anderen übertragen. Ich will nicht, daß ein anderer deine ansteckenden Ideen wieder in Ägypten einschleppt. Wenn du jedoch als deine Freunde einen gewissen Mühlensklaven mit verwachsenen Fingerknochen bezeichnen solltest, oder einen versoffenen Künstler, der einen am Wegrand hockenden Gott zeichnet, und ein paar Neger, die bei dir verkehrt sind, würdest du dich vergeblich von ihnen zu verabschieden suchen; denn sie haben eine lange Reise angetreten und werden nie mehr wiederkehren.«
    In diesem Augenblick haßte ich Haremhab, noch mehr aber mich selber, weil meine Hände immer noch gegen meinen Willen den Tod säten, und die mir am nächsten stehenden Menschen meinetwegen leiden mußten. Ich zweifelte nämlich nicht daran, daß Haremhab die wenigen Freunde, die ich um mich gesammelt hatte, weil sie Aton noch nicht vergessen, hatte umbringen oder in die Kupfergruben von Sinai verschicken lassen. Deshalb äußerte ich kein Wort mehr, sondern verneigte mich stumm vor Haremhab, streckte die Hände in Kniehöhe vor und wandte mich ab, worauf mich die Wächter hinausgeleiteten. Noch einmal öffnete er den Mund, wie um mir noch etwas zu sagen, bevor ich verschwand, und machte auch einen Schritt auf mich zu; aber dann hielt er sich zurück, hieb mit der Peitsche auf die Schenkel und erklärte: »Der Pharao hat gesprochen.«
    Die Wächter schlossen mich in meine Sänfte ein und trugen mich aus Theben an den drei Bergen vorbei in die östliche Wüste hinaus. Sie geleiteten mich zwanzig Tage lang auf dem gepflasterten Weg, den Haremhab hatte bauen lassen, bis wir in einen Hafen gelangten, wo die nach Punt bestimmten Schiffe einmal im Jahr ihre Lasten luden und löschten, nachdem sie zuerst von Theben stromabwärts und dann vom Fluß durch den Kanal in das östliche Meer gesegelt waren. Um den Hafen herum aber lag eine Siedlung, und deshalb führten mich die Wächter die Küste entlang drei Tagesreisen weiter in ein verlassenes Dorf, das einst von Fischern bewohnt gewesen war. Hier wiesen sie mir ein ausgemessenes Gebiet zu und bauten mir ein Haus, das ich all diese Jahre hindurch bewohnt habe, bis ich nun ein alter, müder Mann geworden bin. Nichts, was ich mir wünschte, hat mir gefehlt; ich habe in dem Haus das Leben eines Reichen geführt, und Schreibzeug, feinste Papyri und Ebenholzschreine zur Aufbewahrung meiner Ärztewerkzeuge und der Bücher, die ich geschrieben, standen mir zur Verfügung. Dieses fünfzehnte Buch aber ist das letzte, das ich verfasse; denn ich habe nichts mehr zu erzählen und bin des Schreibens überdrüssig. Meine Hand ist müde, und meine Augen sind so matt, daß ich die Schriftzeichen auf dem Papyrus kaum mehr erkenne.
    Ich glaube nämlich, daß ich das Dasein nicht ertragen haben würde, wenn ich nicht geschrieben und beim Schreiben mein Leben von neuem durchlebt hätte, obwohl es nicht viel Gutes darüber zu berichten gibt. Ich habe das alles nur meinetwegen aufgezeichnet, um weiterleben zu können und um mir selbst zu erklären, wozu ich eigentlich gelebt habe. Doch weiß ich es heute noch nicht; und wenn ich jetzt das letzte Buch beende, verstehe ich es noch weniger als damals, da ich mit dieser Arbeit begann. Trotzdem hat mir das Schreiben in diesen Jahren Trost gebracht; denn jeden Tag hat das Meer vor meinen Blicken gelegen, ich habe es rot und schwarz, bei Tag grün und des Nachts weiß und bei glühender Hitze blauer als blaues Gestein gesehen. Jetzt bin ich seines Anblicks überdrüssig; denn es ist allzu weit und furchterregend, als daß ein Mensen es sein Leben lang betrachten könnte, weil sein Kopf ob der Grenzenlosigkeit der See erkrankt und sein Herz in einen tiefen Brunnen fällt, wenn sie im Abendrot erglüht.
    In all diesen Jahren habe ich auch die roten Berge um mich herum betrachtet und die Sandflöhe beobachtet; Skorpione und Schlangen sind meine Vertrauten, die nicht mehr vor mir flüchten, sondern auf meine Worte hören. Trotzdem glaube ich, daß Skorpione und Schlangen dem Menschen schlechte Freunde
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