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55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät

Titel: 55 - Die Liebe des Ulanen 01 - Im Auftrag Seiner Majestät
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Zwei Gegner
    Der Moseldampfer, welcher des Morgens halb sieben Uhr von Koblenz abfährt, um nach einem Übernachten in Traben-Trarbach die Passagiere nach Trier zu bringen, hatte Zell verlassen und arbeitete sich von neuem auf den Wellen des herrlichen Stromes aufwärts.
    Nebst anderen Passagieren, welche meist den zweiten Platz besetzten, war eine Gesellschaft junger Herren aufgestiegen, welche sich in jener selbstbewußten, nonchalanten Weise nach dem ersten Platz begaben, die den Angehörigen einer bevorzugten Gesellschaftsklasse eigen zu sein pflegt. Sie musterten die Mitfahrenden von oben herab und nahmen unter dem gegen die Sonnenstrahlen aufgespannten Schutzdach Platz, ohne sich darum zu kümmern, ob sie anderen die wohl berechtigte Aussicht auf die lachenden Ufer raubten, oder in sonst einer Weise lästig wurden. Ihr in französischer Sprache geführtes Gespräch war so lärmend, so rücksichtslos laut, daß sich aller Blicke verweisend auf sie richteten, doch nahmen sie nicht die geringste Rücksicht darauf. Bei Leuten, welche einer der unteren Volksklassen angehörten, hätte man dieses Verhalten ungezogen genannt; hier jedoch schwieg man, indem man es vorzog, die Rücksichtslosigkeit nur im stillen zu kritisieren.
    Einer von jenen, welcher ein riesiges Monokel in das Auge gepreßt hatte, deutete mit seinem Stöckchen auf das Ufer und sagte so laut, daß es jeder auf dem Schiffe hören konnte:
    „Lieber Graf, ist es nicht eine Schande, daß ein so schöner Fluß und ein so reizendes Land unserem Frankreich noch immer vorenthalten werden? Wann endlich werden wir einmal marschieren, um uns die linke Seite des Rheines, welche uns gehört, zu holen! Ich hasse die Deutschen!“
    „Und bereist doch ihre Länder, bester Oberst!“ meinte spöttisch derjenige, an welchen die Worte gerichtet gewesen waren.
    „Pah!“ antwortete der Oberst. „Man weiß ja, weshalb man sie bereist. Muß man nicht einen Gegenstand, den man erlangen will, vorher prüfen und kennen lernen?“
    Er sprach das in einem Ton, als ob man hinter seinen Worten ein wichtiges Geheimnis zu suchen habe. Er war ein wirklich schöner Mann, und da er bei seiner Jugend bereits den Rang eines Obersten bekleidete, so war anzunehmen, daß er von außergewöhnlicher Geburt sei und einflußreiche Verbindungen besitze.
    „Donnerwetter, still“, sagte sein Nachbar halblaut. „Du gerätst sonst in Gefahr, von diesen guten Teutonen für einen geheimen Gesandten gehalten zu werden!“
    „Mögen sie es tun! Diese Herren Spießbürger sind sehr ungefährlich. Ein Kampf mit ihren tapferen Heerscharen müßte ein wahres Vergnügen sein. Ich bin überzeugt, daß wir im Falle eines Krieges einen sehr unterhaltenden Spaziergang nach Berlin machen würden, ohne von ihnen aufgehalten zu werden!“
    „Darüber gibt es gar keinen Zweifel, nämlich, was den Spaziergang betrifft; ob er aber wirklich viel Unterhaltung bringen würde, das ist sehr fraglich. Diese Deutschen sind ein höchst langweiliges Volk, roh, grob zugehackt. Blicke dich um! Findest du unter den weiblichen Passagieren ein einziges Gesicht, welches wert wäre, geküßt zu werden? Ich werde einmal nach der Kajüte gehen, um zu sehen, ob es dort vielleicht etwas Besseres gibt.“
    Er erhob sich und stieg die enge Treppe hinab, welche unter Deck führte. Wer die beiden Damen sah, welche da unten auf der schwellenden Plüschottomane saßen, der mußte sich sagen, daß der Graf hier finden werde, was er suchte.
    Es waren eine Blondine und eine Brünette. Die erstere war von mittlerer Größe und sehr feinen, doch jugendlich vollen Formen. Unter langen, weichen Wimpern glänzte das milde Licht zweier himmelblauer Augen, durch welche man tief auf den Grund einer sanften, hingebenden Seele blicken zu können schien. Dieses Mädchen war zwar keine imposante, hinreißende Schönheit, aber in ihrer Anmut und Lieblichkeit mußte sie selbst in einem auserwählten Damenkreis durch ihre Erscheinung hervorragen.
    Ganz anders die Brünette. Von hoher, junonischer Gestalt, schien sie nur zum Gebieten bestimmt zu sein. Ihre Züge glichen denjenigen, welche die Maler jenen persischen Schönheiten zu geben pflegen, welche geschaffen sind, die Sterne eines ganzen Harems zu verdunkeln. Der herrlich modellierte Kopf trug eine Fülle kastanienbrauner Haare, welche die Zofe jedenfalls nur schwer in die moderne Frisur bändigen konnte. Auf der alabasterweißen Stirn thronte ein Adel, welcher dem Gesicht den
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