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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
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donnerten die Wogen gegen die Felsen, wie Schlegel an ein Trommelfell. Und der Wind, stark genug, um die Welt aus dem Wahn ihrer Trugbilder zu erwecken, kühlte unsere Wangen. Unsere Lippen berührten sich.
    »Ist es wirklich wahr?« flüsterte ich.
    »A honto«, sagte er. »Es ist wahr!«
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40. KAPITEL
    V om Hotel Airport aus fuhr stündlich ein Bus zum Flughafen. Ken und ich waren spät abends angekommen. Wir hatten das Tragflächenboot nach Niigata genommen; der Shinkansen-Zug hatte uns in vier Stunden nach Tokio gebracht. Im Hauptbahnhof waren wir in den Zug nach Narita umgestiegen. Der ganze Tag war drückend schwül gewesen, mit einem schweren messingfarbenen Himmel. Im Zug hatte ich viel geschlafen, den Kopf an Kens Schulter gelehnt. Sein Arm hielt mich umfaßt; er schenkte mir seine schützende Zärtlichkeit, ich schöpfte Kraft aus seiner Wärme und Nähe. Die Reisenden im Großraumwagen lasen Zeitung, hörten Walkman oder studierten Akten. Oft hörte ich aus dem Stimmengewirr Worte, die mir geläufig vorkamen, Sätze, die ich verstand. »Bald wirst du japanisch sprechen«, hatte Ken mir gesagt, als wir uns zum ersten Mal liebten. »Aber nur mit dir«, hatte ich damals erwidert; jetzt erinnerte ich mich, wie er gelächelt hatte.
    Draußen zogen kleine Berge vorbei, nicht sehr hoch, dunkelgrünen Kissen ähnlich; dazwischen Reisfelder, Häuser mit blauen oder grünen Ziegeln. Und dann wieder Städte, die Betonbrücken der Autobahnen, die dichtgedrängten Autoschlangen. Straßenschluchten, Hochhäuser, Menschenmengen, zuckendes Neongeflimmer, tausendfarbig. Ich liebe dich, Japan, deine Gegensätze und Widersprüche, deine zähe, ungebrochene Lebenskraft. Deine Götter aus alten Zeiten sind die Götter deiner Zukunft, die Schläfer in den Dingen, die stets Neugeborenen. Du stellst dich grell und provozierend zur Schau, dein Herz zeigst du nur jenen, die durch die Spiegel gehen. Die anderen bleiben draußen, sehen nichts als ein blendendes Prisma, ein wechselndes Kaleidoskop. Und sich selbst darin – als Schatten.
    Das Zimmer lag im obersten Stock; wir sahen unser Spiegelbild im Fenster.
    Am Nachthimmel schimmerte rötlicher Dunst; Flugzeuge stiegen mit blinkenden Bordlichtern empor, tauchten weg in finstere Wolkenmassen. Selbst durch die schalldichten Fenster und das Summen der Klimaanlage war das Dröhnen der Triebwerke zu hören.
    »Du siehst müde aus«, stellte Ken fest.
    Ich lächelte schwach.
    »Das kommt nur, weil ich traurig bin.«
    »Möchtest du etwas essen?«
    Ich schüttelte den Kopf. Er sagte, mit Schmerz in den Augen:
    »Ich hätte nicht gedacht, daß es so schwer sein würde. Dieser Gedanke, daß du bald nicht mehr da bist…«
    Ich legte ihm rasch die Hand auf den Mund.
    »Noch nicht.«
    Wir starrten uns an. Das Abschiednehmen hatte schon begonnen, ein langsamer Sog, der uns mitriß. Zuerst war es unfaßbar; allmählich kam er von überall her, 565
    dieser Schmerz. Ken hob mich hoch und trug mich zum Bett. Er setzte sich auf die Kante. Langsam begann er mich zu entkleiden, knöpfte meine Bluse auf, schob sie bis zu meiner Taille hinunter. Dann hob er mich hoch, um meinen Büstenhalter zu öffnen. Seine Hand wanderte meinen Rücken hinauf, unter mein Haar, seine gespreizten Finger tasteten über meine Kopfhaut. Er zog sein T-Shirt über den Kopf, und wir küßten uns, während ich den Gürtel seiner Jeans aufhakte, ihm half, sie über seine Schenkel zu streifen. Und dann streichelte er mich, genau wie das erste Mal, als wir uns liebten. Ich stöhnte leise, während er meine Brüste in den Mund nahm, sie mit Lippen, Atem und Zähnen zu Kelchen machte. Ich führte seine Hand zwischen meine Schenkel, krampfte mich zusammen, um sie dort gefangen zu halten; er tat alles, was ich wollte und wie ich es wollte. Und dann rief ich nach ihm, aufgelöst vor Verlangen, und er ließ mich nicht warten, weil auch er nicht mehr warten konnte, und er kam, und wir waren vereint. Und stärker als jeder Schmerz war die Ekstase, als ich seine Zunge in meinem Mund fühlte, als er mich im Rhythmus seiner Hüften wiegte, langsam oder schneller, in der Schwebe und endlos. Und in dieser Nacht, als die Flugzeuge vor unserem Fenster in die Wolken stiegen, liebten wir uns, bis wir endlich gelockert und besänftigt zwischen Traum und Wachen dahintrieben. Und auch später noch, als ich schlief, hielt er mich mit seinen Armen umfangen. Ich schlief, die Wange auf seiner Brust, seine Herztöne spürend, und manchmal wachte
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