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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
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gespreizten Beinen vor mir, klopfte mit einem Fuß in den Sand und zwinkerte mir vergnügt zu.
    »Wie geht es ihm?« fragte sie mit ihrer heiseren Stimme.
    Sobald ich nicht mehr in den Eimer sah, verging die Übelkeit. Ich lächelte.
    »Ausgezeichnet. Die Narben verblassen schon.«
    »Du hast ihm deine Haut gegeben.«
    Ich fragte sie nicht, woher sie das wußte, sondern wies auf die Stelle hin, unter dem Saum meiner Shorts. Die Haut war dort dünner und heller, an den Rändern 560
    gekräuselt wie zerknitterte Seide.
    »Es war nicht besonders schmerzhaft. Und es heilte schnell.«
    »Du wolltest es ja so. Und er auch. Ihr seid beide verrückt genug. Mattaku –
    wirklich! « brummte sie.
    Ich spürte einen Schauer im Unterleib, ein lustvolles Nachempfinden der Sinne, gegenwärtiger als jede Erinnerung. Sie starrte mich an und brach in Lachen aus.
    »Du liegst sogar mit ihm im Bett, wenn er nicht da ist! «
    Ich lachte. Ihre Freimütigkeit wirkte ansteckend. Und gegen ihre Klarsicht kam ich nicht an.
    »Du bist nicht mehr wie vorher«, stellte sie fest.
    »Nein«, sagte ich, »ich bin anders geworden, durch ihn.«
    »Er hat schon mehrere Leben gelebt. Aber auch er ist anders geworden, durch dich.«
    »Anders?«
    »Stärker«, sagte sie. »Die Sache mit der Uhr, ne? Das hätte er vorher nicht fertiggebracht. Das kann nicht einmal ich.«
    »Ach, das glaube ich nicht«, erwiderte ich mit halbem Lächeln.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Mann und Frau zusammen sind stärker als ein Mann oder eine Frau allein. Wenn eine Vereinigung stattfindet, wird alles möglich. Was das andere betrifft… pah! Man belauscht sich selbst und erfährt den Sinn der Dinge, das ist schon gut. Aber nicht genug. Sag mal, wann kommst du wieder?« setzte sie in beiläufigem Ton hinzu.
    Ich starrte sie an. Nein, es war gewiß kein Zufall, daß sie mir heute über den Weg lief. Woher mag sie nur wissen, dachte ich, daß ich morgen abreise? Die Frage stellte ich ihr nicht; sie würde unbeantwortet bleiben.
    Ich erklärte ihr, warum ich in die Schweiz fahren mußte. Das Sprechen fiel mir schwer. Die Seeluft berauschte mich, die pralle Sonne stach mir in die Augen. Ich wischte mir den Schweiß aus der Stirn. Kimiko stellte sich auf die Fersen und brachte ihr Gesicht ganz nahe an das meine heran. Sie zog die Stirn kraus und musterte mich.
    »Du siehst blaß aus.«
    »Es ist nichts«, sagte ich. »Es geht gleich vorbei.«
    Sie packte mich am Arm und führte mich in den Schatten der Felsen. Ich atmete ein paarmal tief ein und aus. Sobald ich nicht mehr der Sonne ausgesetzt war, ging es mir besser.
    »Ach, Kimikosensei!« seufzte ich. »Es tut mir leid. Das kommt nur, weil ich so nervös bin.«
    Sie schnalzte mit der Zunge.
    »Du solltest nicht nervös sein. Du solltest dich schonen. Zum Glück bleibst du nicht lange weg. Wenn du wieder hier bist, wird er sich gut um dich kümmern.«
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    Was meinte sie damit? Sie ließ ein amüsiertes Glucksen hören.
    »Hast du noch nicht gemerkt, was mit dir los ist? Die Muschel habe ich dir nicht umsonst gegeben. Du wirst ein Kind haben.«
    »Unmöglich!« sagte ich. »Ich bin unfruchtbar!«
    Ihre Augen funkelten spöttisch.
    »Das bildest du dir ein. Ich bin eine alte Frau und sehe schlecht. Aber diese Dinge sehe ich. Junge Frauen haben gute Augen, sehen aber nicht die Veränderungen in ihrem Körper.«
    Ich stand wie betäubt da, dachte dann an die merkwürdige Mattigkeit, an die Übelkeit, die ich in letzter Zeit spürte. Am Morgen, als ich aufstand, war mir alles schwarz vor meinen Augen geworden, doch nur für ein paar Sekunden. Hinterher hatte ich mich wieder frisch gefühlt und Ken nichts davon gesagt. Ich wollte nicht, daß er sich meinetwegen Sorgen machte. Und fast im gleichen Atemzug fiel mir ein, daß ich seit zwei Monaten keine Blutung mehr gehabt hatte. Ich hatte das Ausbleiben der Periode auf die durchgestandenen Aufregungen geschoben und nicht weiter beachtet. Mein Herz schlug wild. Konnte es sein, daß die alte Frau recht hatte?
    »Ich dachte immer…«
    Sie machte ts, ts, nachsichtig und verschmitzt.
    »Alles kommt, wie du willst, Juliesan. Der Kreis schließt sich. Die Liebe soll nicht nur in deinem Herzen, sondern auch in deinem Körper leben. Du hast die Toki tanzen gesehen. Das sahen vor dir nur wenige Menschen. Es genügt, daß du die Welt mit den Augen eines Kindes betrachtest. Dann wird die Welt transparent: Du siehst die Zeichen und Wunder.«
    Sie klopfte mir wohlwollend auf den Arm, hob
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