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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
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ihren Eimer auf und ging.
    Voller Zärtlichkeit sah ich ihr nach, wie sie sich entfernte, wie ihre Füße feste, breite Spuren im Sand hinterließen. Ich lehnte mich an den glatten, warmen Felsen, legte die Hände auf meinen Leib. Ich lächelte über mich selbst, weil mein Verstand immer noch nicht wahrhaben wollte, was mein Körper bereits wußte. Das Leben kehrte in mich zurück; das Gefühl in mir war noch unbestimmt, aber es war vorhanden. Jetzt wußte ich auch, warum ich es so eilig hatte, meine Sachen in Ordnung zu bringen. Kein Schatten sollte mehr in meinem Herzen sein, nur Licht.
    Ich blickte über den Strand hinweg, innerlich zitternd, mit Tränen in den Augen vor Glück; dort, wo die Luft das Wasser wie flüssiges blaues Feuer hoch spiegelte, flogen Seeschwalben. Sie kreisten empor, ein weißer Strudel, und aus diesem Wirbel löste sich jetzt Kens Gestalt, das T-Shirt um die Hüften geschlungen, das dunkle Haar wehend. Schon lief er langsamer, entspannte seine Muskeln und lachte mir entgegen. Ich trat ganz dicht an ihn heran, tupfte mit einem Handtuch den Schweiß von seiner Stirn ab. Ich rieb seinen Oberkörper trocken, seine Schultern, seine Arme. Mit allmählich beruhigtem Atem warf er den Kopf in den Nacken, hob sein Haar mit beiden Händen und schüttelte es. Dann zog er mich an 562
    sich heran und sagte:
    »Was ist los? Du siehst so glücklich aus.«
    Ich streichelte seine Haut, von Sonne und Meeresluft geheilt, wundervoll zu berühren, spürte die geschmeidigen Muskeln darunter, diese wiedergefundene, lebendige Glätte.
    »Ich habe Kimiko gesehen.«
    »So? Sie wollte dir wohl eine gute Reise wünschen.«
    »Ken, woher wußte sie, daß ich fahren werde?«
    Er lachte, bewegte den Kopf hin und her.
    »Du solltest sie allmählich kennen.«
    Die Sonne schien mir in die Augen; er drehte sich um, so daß sein Schatten auf mein Gesicht fiel.
    »Nun?« fragte er zärtlich. »Was hat sie dir gesagt?«
    Ich fühlte die Wärme, die von ihm ausging, mit diesem starken Duft nach Salzwasser. Leise sprach ich an seinem Mund, sagte ihm, was ich von Kimiko erfahren hatte. Seine Augen weiteten sich, schlossen sich dann. Und mit geschlossenen Augen flüsterte er: »Ein Kind?« Ich nickte; mir war, als ob ich schwebte. Das Kind lebte in mir, von meinem Bauch beschützt. Bevor Kimiko es mir sagte, hatte ich nicht gewußt, daß es vorhanden war. Jetzt war es da.
    Er legte den Arm um mich; seine Augen waren offen und strahlten.
    »Liebste, Kimiko spürt solche Dinge. Mir ist schon aufgefallen, daß du in letzter Zeit oft müde warst.«
    »Ich wollte es dir verheimlichen.«
    »Da warst du an der falschen Adresse.«
    »Ich dachte, ich sei innerlich zerstört«, sagte ich. »Ich war entsetzt und verzweifelt darüber. Und jetzt werde ich ein Kind haben…«
    »Du bist unversehrt und vollkommen. Du warst so verlockend für mich, schon beim ersten Blick.«
    »Du hast meinen Körper wiedererweckt. Ich wußte nie, was es heißt, zu lieben.
    Und ich war auch nie richtig jung. Jetzt kann ich leben, lebendig sein. Ein Kind zu bekommen… das war stets mein allerschönster Traum.«
    »Es war nicht nur dein Traum, sondern auch meiner.«
    Ich suchte seinen Blick; lächelnd nahm er meine Hand und führte sie an seine Lippen. Er hatte stets gewußt, wonach ich verlangte, meine Bedürfnisse gespürt, mich aus tiefer Dunkelheit heraufgezogen, bis ich so sicher stand wie er. Zum ersten Mal war ich mir meiner Freiheit und Ganzheit bewußt. Auf einmal stiegen mir Tränen in die Augen. Ich barg mein Gesicht an seiner Schulter.
    »Nimm es mir nicht übel, Ken, ich benehme mich einfältig.«
    »Und ich pedantisch, ich habe diesen albernen Zug, aus alten Frustrationen entstanden, ich muß mich da zusammennehmen. Es wird ein Mädchen«, setzte er hinzu.
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    Ich hob den Kopf, um ihn anzuschauen.
    »Woher weißt du das?«
    »Isami hat mir eine Tochter versprochen. Vor fünfzehn Jahren schon. Ich wurde schon ganz ungeduldig.«
    »Wenn es ein Mädchen ist, möchte ich, daß es Isami heißt. Oder glaubst du, daß deine Schwester etwas dagegen hätte?«
    »Nein, sicherlich nicht. Sie wird sogar mächtig erfreut sein.«
    Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und mußte plötzlich lachen, vor lauter Freude und Glück.
    »Ach, Ken! Ich bin so aufgeregt.«
    »Ich auch.«
    Licht umhüllte die Insel in starken blauen Kreisen, doch wir sahen nichts als uns zwei. Unsere Ängste trieben tief unter Wasser dahin, die Strömung trug sie davon. Hoch oben
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