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Wind des Südens

Titel: Wind des Südens
Autoren: Patricia Shaw
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    1873
     
     
            Das schmucke Schiff segelte, von Hongkong kommend, schneidig in die lange Durchfahrt zwischen dem Great Barrier Reef und der Küste von Queensland. Der erleichterte Seufzer des Kapitäns hallte in der sanften Brise nach. Wenngleich diese Gewässer mit ihren unzähligen Inseln und kleineren, nicht kartierten Riffen gefährlich sein konnten, so waren sie im Vergleich zur hohen See mit ihren Risiken geradezu wie ein sicherer Hafen. Es war die schlimmste Unwetterperiode, die Kapitän Judd Loveridge auf dieser Route je erlebt hatte, und er dankte dem Herrn dafür, dass ihm ein Hilfsmotor zur Verfügung gestanden hatte.
            Nachdem seinem Schiff im Südchinesischen Meer schwer zugesetzt worden war, hatte der Kapitän zwei zusätzliche Tage in Singapur anberaumt, um Reparaturen vornehmen zu lassen und einen Ersatz für den Ersten Offizier Barrett zu finden, der sich beim vergeblichen Versuch, rutschende Fracht zu sichern, ein Bein gebrochen hatte. Loveridge hatte tatsächlich einen neuen Burschen ausfindig gemacht, Jack Tussup, einen Australier, der als Zweiter Offizier auf der SS Meridian gedient hatte. Die SS Meridian war in der Malakkastraße auf Grund gelaufen. Tussup war eigentlich nicht der Typ, für den er sich, hätte er die Wahl gehabt, entschieden hätte, doch Loveridge wusste, dass es ihm kaum gelingen würde, irgendjemanden von Barretts Format zu finden.
            Der Zwangsaufenthalt im Hafen gewährte seinen Passagieren immerhin eine Verschnaufpause. Es hätte ihn nicht gewundert, wenn der Großteil seiner Passagiere an Land gegangen und dort geblieben wäre, um sich von den auszehrenden Nachwirkungen lang anhaltender Seekrankheit zu erholen. Aber Singapur war eine ungesunde Stadt, und Lyle Horwood forderte: »Wir haben das Schlimmste doch sicher hinter uns, Captain. Deshalb lautet der einstimmige Beschluss: weiterfahren!«
            Der Kapitän schmunzelte. Horwoods Frau war entsetzlich seekrank gewesen, doch ihr ältlicher Gatte hatte die Stürme mit der Gleichmut eines alten Seebären hingenommen. Er und dieser junge Kerl, Willoughby, hatten keine einzige Mahlzeit ausfallen lassen, und während sie in der Bar herumlungerten und Karten spielten, wurden sie enge Freunde – obwohl sie nach Loveridges Meinung Welten trennten.
            Horwood war ein distinguierter Herr, Direktor der Oriental Shipping Line , Willoughby hingegen ein eher ungeschliffener Diamant. Der Kapitän hatte den Eindruck, dass dieser große, schlaksige Kerl weit besser auf einem Pferderücken zu Hause war als auf den Planken eines Schiffes.
            Die China Belle war Loveridges Lieblingsschiff aus der Flotte der Oriental Line . Sie führte eine beträchtliche Fracht von Reis und Tee, aber nur wenige Passagiere. Es gab nur sechs Kabinen, allesamt erster Klasse, für eine exklusive, wohlhabende Klientel. Loveridge hoffte, nach dem Luxus seiner geliebten China Belle nie wieder zurück auf überfüllte Passagierschiffe zu müssen.
            Er seufzte, spähte hinüber zu einer weiteren grünen, von einem weißen Küstenstreifen gerahmten Insel und einer Ausbreitung helleren Wassers, die auf ein Riff unter der Oberfläche hinwies, und drehte das Steuerrad, um das Riff weiträumig zu umfahren.
            »Kennen Sie sich in diesen Gewässern aus?«, fragte er Tussup.
            »Nicht allzu gut, Sir. Dank der Riffe, die hier wie Konfetti verstreut liegen, sind sie unberechenbar.«
            »Ja, es ist auch ohne diese Tücken schon schwierig genug, dem großen Riff nicht zu nahe zu kommen. Manchmal denke ich, es wäre klüger, außen herum zu fahren.«
            Tussup hob verdutzt den Blick. »Gott bewahre! Wir kämen vom Kurs ab. Das hier ist die offizielle Route!«
            »Ich weiß. War nur so ein Gedanke. Um sicherzugehen, würde ein Mann im Topmast nicht schaden. Sag dem Bootsmann, er soll jemanden raufschicken, der nach diesen verdammten Riffen Ausschau hält – einen von den Malaien.«
            Seine Mannschaft bestand, abgesehen von den zwei Offizieren und dem Bootsmann, aus Malaien und Chinesen. Die Asiaten arbeiteten als Köche und Stewards – insgesamt zweiundzwanzig Seemänner, von denen Loveridge möglicherweise einige in Brisbane austauschen wollte. Zugegeben, das Schiff war von den haushohen Wogen während der Stürme ordentlich durchgeschüttelt worden, doch das war kein Grund für die ablehnende und
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