Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...

Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...

Titel: Corbins 03 - Wer dem Zauber der Liebe verfaellt...
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
Eins
    Simpkinsville, Oregon — 5. April, 1890
    Eine verbeulte Schüssel flog wie ein
Diskus durch die Luft ...
    Tess Bishop blieb überrascht stehen.
Sie schob ihr Fahrrad an den Straßenrand, klemmte ihre Kamera unter den Arm
und ging durch das Gebüsch auf die angrenzende Lichtung zu.
    Der Hausierer — Joel Shiloh, den
goldenen Lettern auf seinem schwarzen Wagen nach — fing die herabfallende Schüssel
auf und schleuderte dann fluchend eine Kaffeekanne in die Luft.
    »Komm herunter und kämpfe!« brüllte
er, als der Kaffee nach allen Seiten spritzte und seine ohnehin nicht elegante
Kleidung weitere Flecken bekam. Er war ein großer Mann, etwa Anfang Dreißig,
und während Tess ihn fasziniert ansah, hob er drohend eine Faust zum Himmel und
schrie von neuem: »Nun komm schon, verdammt! Wehr dich!«
    Tess hob erstaunt den Kopf, aber sie
sah nichts als Wolken. Graue Regenwolken. Mit wem redete dieser Mann
eigentlich? Mit Gott?
    Joel Shiloh stützte die Hände in die
Seiten und legte den Kopf so weit zurück, daß Tess überzeugt war, sein
schmutziger schwarzer Hut müsse ins Gras fallen. »Nun?« schrie er zornig,
während er einen Fuß auf die Steine stellte, die das Lagerfeuer umgaben.
»Worauf wartest du noch?«
    Tess wollte gerade umkehren und zu
ihrem Fahrrad zurückgehen, als der Mann einen Schmerzensschrei ausstieß und
auf einem Bein zu dem kleinen Fluß hinüberhüpfte.
    »Nein!« rief sie erschrocken und hob
eine Hand, als könnte sie so den Mann zurückhalten.
    Aber natürlich war er schon zu weit
entfernt und sprang genau an jener Stelle in den Bach, wo Tess es befürchtet
hatte. Das Wasser schlug über ihm zusammen, und nur sein Hut war noch zu sehen.
    Tess legte die Kamera ins Gras,
raffte ihren langen Baumwollrock und rannte über die Lichtung auf das Ufer zu.
    Bevor sie ihn erreichte, tauchte der
Hausierer neben seinem langsam davontreibenden Hut wieder auf, hob von neuem
die Faust und schrie seinem unsichtbaren Feind im Himmel zu: »Das war ein
gemeiner, schmutziger Trick, verdammt!«
    Tess starrte den Mann verwundert an:
»Mit wem reden Sie eigentlich?« fragte sie.
    Joel Shiloh warf ihr einen gereizten
Blick zu. Falls ihm sein Benehmen peinlich war, ließ er es sich nicht anmerken.
Bevor die Strömung den Hut fortreißen konnte, schnappte er ihn, warf ihn ans
Ufer und kam stolpernd und fluchend aus dem Wasser.
    Mit einem empörten Grunzen hockte er
sich ins Gras und begann an einem seiner nassen Stiefel zu zerren. Nachdem er
sich erfolglos abgemüht hatte, hob der Mann den Kopf und schaute Tess entrüstet
aus seinen azurblauen Augen an. »Nun helfen Sie mir doch!«
    Tess hätte später nicht sagen
können, warum sie nicht auf der Stelle kehrtmachte und die Flucht ergriff, wie
es jede andere Frau mit ein bißchen Vernunft getan hätte. Dieser Mann schien
ganz offensichtlich verrückt zu sein, es konnte jeden Augenblick zu regnen
anfangen, und bis nach Hause hatte sie noch fünf Meilen Weg vor sich. Aber er
hatte etwas ganz Besonderes an sich, und so seltsam es war, Tess fand, daß er
irgendwie aristokratisch wirkte.
    »Wobei soll ich Ihnen helfen?«
fragte sie verwirrt.
    »Ziehen Sie mir den Stiefel aus!«
fuhr er sie an und warf dann einen weiteren zornigen Blick auf den dunklen
Himmel.
    »Sie könnten wenigstens bitte sagen«,
wandte Tess ein. »Bitte!« schrie er.
    »Sie sind ein sehr ungezogener
Mensch, Mister Shiloh«, bemerkte sie, packte jedoch seinen schmutzigen Stiefel
mit der durchlöcherten Sohle und zog mit aller Kraft daran.
    Der Hausierer verfolgte ihre
Bemühungen mit spöttischem Lächeln. »Sie haben recht, das bin ich«, stimmte
er, schon etwas freundlicher, zu.
    Tess zerrte an dem widerspenstigen
Stiefel, und als er endlich nachgab, taumelte sie und fiel ins Gras. Beschämt
und etwas verärgert rappelte sie sich auf, überzeugt, daß der Mann sie nun
auslachen würde.
    Aber er war schon damit beschäftigt,
seinen Socken auszuziehen, der genauso naß und löchrig wie sein Stiefel war,
und würdigte Tess keines Blickes.
    An seiner Fußsohle war eine häßliche
Brandwunde zu sehen, was sein merkwürdiges Hüpfen und den unvorsichtigen
Sprung in den Fluß erklären mochte. Er betrachtete die Wunde mit dem gleichen
ärgerlichen Stirnrunzeln, mit dem er dann zum Himmel aufschaute. »Danke«, sagte
er zu den Wolken, die sich über ihnen zusammenbrauten. »Tausend Dank!«
    Und genau in diesem Augenblick
öffnete der Himmel seine Schleusen. Tess' langes Haar, das ihr frei auf die
Hüften
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher