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Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)

Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung (German Edition)
Autoren: J. J. Preyer
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Kutsche, zu, in der sie sich, in der Hoffnung, daß es noch freie Plätze gab, in die letzte Reihe setzten.
    »Entschuldigen Sie. Meiner Frau wird vorne übel. Sie müssen wissen, in ihrem Zustand verträgt sie das Fahren nicht«, erklärte Moriarty dem älteren Ehepaar, dessen Plätze sie offenbar eingenommen hatten.
    »Kein Problem, wir gehen nach vorne«, sagte die Frau und faßte ihren zögernden Mann am Mantel.
    »Wir lassen uns treiben. Vorderhand sind wir in Sicherheit«, sagte Stephen.
    »Was für ein Tag!«, jubelte Myra trotz des Ernstes der Lage. »Shakespeare enttarnt. James I. war der Autor.«
    »Wie kam der König auf die Idee, einen Mann namens Shakespeare als Verfasser seiner Werke auszugeben?«, fragte Moriarty.
    »Ich könnte mir Folgendes vorstellen: William Shakespeare, ein einfacher Bursche aus Stratford, der viel zu früh in das Joch der Ehe gezwungen wurde, brach aus seinem engen Leben aus. Er floh nach London, um Schauspieler zu werden. Dort fiel er James auf, der, obwohl schottischer König, immer wieder nach London kam, um seine inhaftierte Mutter zu besuchen. Seine Reisen in die Hauptstadt des benachbarten Königreiches nutzte er auch für Theaterbesuche. Der König sah den jungen Mann auf der Bühne und wurde auf ihn aufmerksam. Nicht wegen seiner Schönheit oder wegen seiner Begabung, sondern weil er ihm ähnlich sah. Shakespeare war von dunkler Haut- und Haarfarbe wie er. Er spielte wegen seiner mangelnden Schönheit und Begabung hauptsächlich Clowns. Und dann gefiel dem König noch der Name des Spielers. Shakespeare. So etwas Komisches! Er traf sich mit ihm und begann die Sonette und die Theaterstücke aus seiner Hand über den etwa gleich alten Schauspieler in die Öffentlichkeit, auf die Bühnen, zu bringen.«
    »Offenbar waren beide homosexuell.«
    »Mein Gott, ihr Männer! Shakespeare und der König müssen nicht homosexuell gewesen sein! Die Gedichte und die Stücke zeigen eine derartige Vielfalt menschlicher Gefühle von Liebe über Haß bis Machtgier und wunderbarster Menschlichkeit …«
    »Die wunderbare Menschlichkeit muß mir entgangen sein.«
    »Ja, die ist dir wirklich entgangen, Stephen. Wenn die Lage, in der wir uns befinden, nicht so merkwürdig wäre, würde ich dir das erläutern.«
    »Erläutere, Myra! Wer weiß, wie lange wir unterwegs sind.«
    »Shakes ... James hatte alles erlebt, was ein Mensch nur erleben kann. Ein vaterloses Kind, das König wurde, das die Mutter verlor, dem man die Freunde wegnahm, das aber einen großartigen Lehrer hatte, der ihn literarisch und menschlich bildete. Was man dem Jungen alles antat! Aber er überlebte und wurde nicht wahnsinnig unter dem Druck seiner Aufgaben. Er wurde nicht wahnsinnig, weil ihm sein Lehrer ein Mittel dagegen in die Hand gegeben hatte: das Schreiben. In seinen Texten kann man seine Entwicklung verfolgen. Vom liebestollen, dummen Knaben in den Sonetten und dem ungestümen Schlächter der ersten Dramen zum desillusionierten Weisen in König Lear, der nicht an Gott, aber an die Menschlichkeit glaubt. Nicht aus Religiosität, sondern aus politischer Weisheit stellte er ein Team von Gelehrten zusammen, die sodann die Bibel neu übersetzten. Er wollte weder den Katholizismus noch den Protestantismus betonen, sondern einer allgemeinen Religion ein klares Fundament geben. Ein Fundament aus Sprache.«
    »Ein Team von Bibelübersetzern, aus dem vermutlich die Bewahrer seines Geheimnisses hervorgingen«, schaltete sich Stephen ein.
    »Stephen, das ist großartig. Auf diesen Gedanken bin ich noch nicht gekommen.«
    »Du wolltest mir einen Beweis für Shakespeares Weisheit geben.«
    »Laß uns an König Lear denken. Was für ein großes Drama! Ein alter Mann gibt seine Macht ab. Der Autor zeigt, wie riskant das ist. Und da ist diese eine Szene, die so herrlich ist …«
    »Ist schon gut. Erzähl endlich!«
    »Edgar, der sich als Verrückter ausgibt, begleitet seinen verzweifelten blinden Vater zu den weißen Klippen von Dover, von wo dieser in den Tod springen will. Tom, wie sich dieser Edgar nun nennt, verspricht, ihn bei seiner Selbsttötung zu unterstützen, läßt aber den Vater nur von einem kleinen Hügel ein paar Zentimeter in die Tiefe springen. Der Vater, der glaubt, in den Tod gesprungen zu sein, wird ohnmächtig und erwacht, geheilt von seinem Wunsch zu sterben, in den Armen des Sohnes.«
    Mit vor Begeisterung rauher Stimme zitierte Myra Hall:
    »Gloster:
    Kennst du den Weg nach Dover?
    Edgar:
    Ja,
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