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Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid

Titel: Die Therapeutin - Grebe, C: Therapeutin - Någon sorts frid
Autoren: Åsa Camilla;Träff Grebe
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Es hätte ein Idyll sein können.
    Ein trügerisch ruhiger, taufeuchter Morgen. Sonnenstrahlen, die langsam, aber beharrlich die verputzte Jugendstilfassade in Besitz nehmen.
    Sie umarmen sie siegesgewiss mit ihrer gleichgültigen Wärme, schenken die Leuchtkraft, die von der Nacht zurückgehalten wurde.
    Als wäre nichts geschehen.
    Als bereitete dieser Sommermorgen einen Tag wie alle anderen vor: voller Leben, verschwitzte Körper auf Fahrrädern, unterdrücktes Kichern vor dem Eisstand am Hafen, hitzige, sonnenverbrannte Schultern, ungelenker Sommersex, wo das hellblaue Zwielicht nahtlos in die Morgendämmerung übergeht, eine miefige Mischung aus Weißwein und Limonade am nadelgespickten Waldrand oberhalb der Pizzeria, das kalte Wasser des Sees auf mageren Kinderkörpern mit Rippen, die hervorstechen und sich durch die weiche, papierdünne, milchweiße Haut zu bohren scheinen.
    Herumalbernde Teenager, die um die Wette zur Insel und wieder zurück schwimmen, die sich gegen die blaubraune, satte Dunkelheit des Wassers wie bleiche Froschmänner, Amphibienfahrzeuge, absetzen. Das Johlen derjenigen, die sich vom Badefelsen hinunterstürzen. Der Duft gegrillten Fleisches. Das Geräusch weit entfernter Motorboote.
    Mücken. Wespen. Insekten ohne Namen: im Haar, im Mund, auf den Leibern, den juckenden, verschwitzten, warmen Leibern.
    Schwedischer als schwedisch.
    Sommer ohne Ende.
    Als wenn nichts passiert wäre.
     
    Auch das Haus erscheint gleichgültig. Schwer und gelangweilt brütet es im üppigen Garten, eingebettet in ein dichtbelaubtes, taufeuchtes Grün. Sein dreistöckiger, massiver Körper streckt sich dem hintergründigen Blau des heller werdenden Sommerhimmels entgegen. Nirgends ist Putz abgeblättert. Die graugrüne Farbe, die Fensterrahmen und Türen bedeckt, ist frisch aufgetragen und glänzt immer noch wie neu. In den bleigefassten, getönten Fensterscheiben mit ihrem verschlungenen, organischen Blumenmuster sind weder Risse noch Staub zu sehen. Auf dem Dach ruht ein schönes altes, grünspanfarbenes Kupferblech von der Sorte, die heute nicht mehr verlegt wird.
    Es hätte ein Idyll sein können.
    Doch da ist etwas, das nicht stimmt.
    Auf dem kleinen Parkplatz mit dem sorgfältig geharkten Kies steht ein schwarzer Geländewagen, auch er blitzeblank und ohne einen Kratzer. Im Lack des Wagens spiegelt sich eine Clematis mit großen, reinweißen Blüten wider, die sich einen alten, knorrigen Apfelbaum hinaufrankt, und dort, unter dem lodernden Stamm des Baumes und seinen krummen Zweigen, da liegt sie.
    Die junge Frau, das Mädchen.
    Zusammengekauert wie ein Vogel liegt sie im Gras, das rote Haar genau wie das Gras von einer dünnen Tauschicht bedeckt. Die schmalen, blassen Arme des Vögelchens liegen zur Seite ausgestreckt, die Handflächen in einer resignierten Geste nach oben gedreht. Das Blut, das aus ihrem Körper floss, ist zu rotbraunen Flecken auf der Jeans und im Gras geronnen. Die
Augen sind offen und scheinen die Krone des Apfelbaums zu betrachten.
    Dort, an den Zweigen, hängen die kleinen grünen Fruchtansätze. Es sind viele, der Baum wird in ein paar Monaten reichlich Früchte tragen. Über der Krone des Apfelbaums fliegen unbeeindruckt Turmschwalben und Möwen – was interessiert sie ein toter Mensch?
    Unter dem Körper, außerhalb des Blickfeldes von Vögeln und Menschen, haben die winzigsten Einwohner des Gartens vor langer Zeit das entdeckt, was bis jetzt noch kein Mensch gesehen hat. Ein kleiner schwarzer Käfer krabbelt zwischen Hosenbund und kalter, blasser Haut auf der Jagd nach etwas Essbarem herum, zarte Fliegen haben sich im dichten roten Wald des Haars eingerichtet, und mikroskopisch kleine Würmer bewegen sich langsam, aber zielstrebig immer tiefer in die Windungen der Ohren hinein.
    Bald werden diejenigen, die im Haus wohnen, aufwachen und nach der jungen Frau, dem Mädchen suchen. Weil sie sie im Haus nicht finden, werden sie auch im Garten suchen, wo sie sie im Gras unter dem Baum finden werden, die Augen dem Himmel zugewandt.
    Sie werden sie schütteln, als versuchten sie, sie aus einem tiefen Schlaf zu wecken, und da das vergeblich ist, wird einer von ihnen ihr hart auf die Wange schlagen, so dass sich ihr Gesicht von dem noch nicht geronnenen Blut auf seinen Händen rot verfärben wird.
    Sie werden sie in den Arm nehmen und behutsam hin und her wiegen, einer von ihnen wird ihr etwas ins Ohr flüstern, während die anderen ihre Gesichter in ihrem Haar begraben
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