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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg
Autoren: Judith Lennox
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Mann auf offener Straße eine Liebeserklärung machte, doch Thomas' Gesichtsausdruck veränderte sich kaum, wurde höchstens noch ein wenig trauriger. »Liebst du mich denn überhaupt nicht?« fragte sie leise.
    Er antwortete nicht, rührte sich nicht, schaute sie nur an. Schließlich sagte er: »Ich habe dich einmal mehr geliebt als mein Leben, aber jetzt … ich weiß nicht. Ich bin müde. Ich will nicht mehr. Ich gehe zurück nach England.«
    Fassungslos starrte sie ihn an. Sie konnte nicht glauben, daß sie ihn verloren haben sollte – gerade jetzt, als sie erkannt hatte, wie sehr sie ihn brauchte.
    Sein Blick wurde etwas weicher. Er sah tatsächlich müde aus. »Ich nehme die Kingfisher und kehre in meine Heimat zurück«, sagte er sanft. »Ich habe schon eine ganze Weile mit dem Gedanken gespielt, und in Aleppo erfuhr ich, daß die Levant Company mich wiederhaben will. Ich denke, ich habe meine Schulden bei dir bezahlt, der Gesellschaft schulde ich noch eine Menge. Ich lasse die Dinge, die ich aus der Levante mitgebracht habe, in die Lagerhäuser schaffen. Du wirst beachtliche Profite erzielen können.
    Sie wollte ihm sagen, daß Geld sie nicht mehr interessierte, aber sie wußte; daß er ihr nicht glauben würde, und so wiederholte sie nur kummervoll: »Ich liebe dich, Thomas.« Endlich berührte er sie, legte ihr die Hände auf die Schultern. »Tust du das? Ich bezweifle es. Du hast in den letzten Jahren so viel gelogen, ich fürchte, du weißt gar nicht mehr, was Wahrheit ist und was nicht.« Er rückte den Seesack auf seiner Schulter zurecht. »Sorge gut für Francesco – und laß eines Tages ein Schiff für ihn bauen.« Sie konnte immer noch nicht glauben, daß er tatsächlich gehen wollte. »Aber – was ist mit Edward Whitlock?« fragte sie. Doch auch dieser Punkt konnte ihn nicht umstimmen.
    »Nun – ich werde es darauf ankommen lassen.«
    Aus. Vorbei. Sie hatte verloren. Mit letzter Kraft brachte sie ein Lächeln zustande: »Hattest du nicht einmal gesagt, du wolltest nicht dein ganzes Leben lang Damenstrümpfe und Wollmützen im Mittelmeer herumschippern?«
    »Doch, das habe ich, und es sieht ganz so aus, als sei bald Schluß damit. Die Levant Company plant, eine Tochtergesellschaft zu gründen – für den Handel mit Ostindien. Vielleicht  …« Damit drehte er sich um und ging.
    Serafina hatte plötzlich das Gefühl, allein auf der Welt zu sein, auf dem Gipfel des Berges zu stehen und auf ein Nebelmeer hinunterzublicken. Sie hörte den Straßenlärm nicht mehr, spürte die Wärme der Sonnenstrahlen nicht. Tränen strömten über ihr Gesicht.
    Vielleicht, dachte sie. Vielleicht.
    In Florenz klopfte Fiametta Nadi nach einem höchst unerfreulichen Gespräch mit ihrem Vater an die Tür des Schlafzimmers ihrer Mutter.
    Giulia lag noch im Bett. Obwohl es bereits Mittag war, herrschte Dämmerlicht im Raum, denn die Fensterläden waren geschlossen. Pantoffeln, Kleider und Unterwäsche lagen über Möbel und Fußboden verstreut. Fiametta ging zum Fenster und stieß die Läden auf. Sonnenschein und Straßenlärm fluteten herein.
    »Liebes  …« Giulia stöhnte, rieb sich die Augen und setzte sich auf. Ihre Tochter betrachtete sie voller Verachtung. Die Frau mit dem vom Schlaf aufgedunsenen Gesicht und den wirren Haaren hatte wenig Ähnlichkeit mit der Schönheit, als die Florenz sie kannte.
    »Ich muß mit dir reden, Mama«, erklärte Fiametta entschieden. »Über meine Zukunft.«
    Giulia schlang sich einen Schal um die Schultern. Die Luft im Zimmer war geschwängert von dem Duft von Lavendel und Rosenwasser. Der Geruch und die Erinnerung an die Unterhaltung mit ihrem Vater verursachten Fiametta Übelkeit, doch sie blieb am Fußende des Bettes stehen. Sie würde nicht gehen, bevor sie ihren Willen durchgesetzt hätte. Wütend ballte sie die Fäuste.
    »Deine Zukunft ist doch geregelt, Liebes.« Giulia gähnte. »Sobald der gute Angelo aus der Levante zurückkommt …«
    »Der ›gute Angelo‹ ist bereits zurück«, erwiderte Fiametta mit beißendem Spott. »Aber ohne sein Schiff.«
    Endlich war es ihr gelungen, die Aufmerksamkeit ihrer Mutter zu erregen. Die verschwollenen blauen Augen richteten sich fragend auf sie. »Papa hat heute früh einen Brief erhalten. Die Fiametta wird niemals nach Italien zurückkehren, sie ist gesunken.«
    Giulias Unterkiefer klappte herunter. Sie ist häßlich, dachte Fiametta, als sie das schlaffe Kinn, die unzähligen winzigen Runzeln um den Mund und die Krähenfüße
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