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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg
Autoren: Judith Lennox
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geworden?«
    Angelo, der gerade dabei war, sein Wams zu schnüren, hielt mitten in der Bewegung inne und sah sie scharf an: »Woher weißt du von Jehans Tod?«
    »Ich habe meine Quellen«, antwortete sie. »Was ist mit Monsieur Jacques passiert?«
    »Gar nichts. Jedenfalls nichts, wofür ich verantwortlich wäre. Ich habe nie mehr etwas von ihm gehört. Er war nicht bereit, für mich zu arbeiten, was ich sehr bedauerte, denn er war ein sehr fähiger Mann und hätte mir von großem Nutzen sein können, und so ließ ich ihn gehen.«
    »Einfach so?«
    »Ich töte nur, wenn es erforderlich ist«, erklärte er mit brutaler Offenheit. »Monsieur Jacques stellte keine Bedrohung für mich dar, er wußte ja von nichts.« Als Serafina nichts dazu sagte, fuhr er fort: »Was hast du jetzt vor? Wirst du mich verhaften lassen – oder mir die Kehle durchschneiden?« Er hatte seine Fassung wiedergewonnen. Sein Selbstvertrauen, das sich auf das Bewußtsein gründete, Charme, Intelligenz und gutes Aussehen zu besitzen, ließ sein Lächeln wieder im alten Glanz erstrahlen.
    Nein – sie würde ihn weder festnehmen noch umbringen lassen. Ein vor langer Zeit begonnenes Kapitel war abgeschlossen. Der Wunsch, Angelo zu vernichten, war mit der Erkenntnis erloschen, daß er keine Macht mehr über sie hatte. Sie schüttelte den Kopf, ging zum Fenster und schaute auf die Stadt hinaus. Sonnenlicht vergoldete die Dächer und Türme, und der weite, wolkenlose Himmel spiegelte ihre Stimmung wieder. Sie war frei! Die Last der Vergangenheit war von ihren Schultern genommen. Auf dem Weg zur Vergeltung hatte sie gefunden, was ihr wirklich etwas bedeutete: Francesco und Thomas. Sie hörte Angelo aufstehen, und gleich darauf fiel die Tür ins Schloß.
    Plötzlich setzte ihr Herzschlag aus: Eine vertraute Gestalt kam die Straße herunter – ein Mann in grobem Wollzeug, einen verbeulten Filzhut auf den wirren Locken und einen Seesack über der Schulter. Thomas Marlowe war in die Toskana zurückgekehrt! Und gestern abend noch hatte sie zu Maria gesagt, sie müsse sich noch gedulden. Die Kingfisher mußte geflogen sein! Serafina raffte die Röcke und lief die Treppe hinunter.
    Als sie in der Halle ankam, verließ Angelo gerade das Haus. Sie stürzte zur Tür. Thomas Marlowe stand wie angewurzelt da. Sein Blick folgte dem Davoneilenden, und dann wandte er sich Serafina zu. Der Ausdruck seiner Augen schnitt ihr wie ein Messer ins Herz. Sie war unfähig, sich zu rühren oder etwas zu sagen. Wortlos drehte Thomas sich auf dem Absatz um und ging mit großen Schritten davon.
    Ihre Haare waren noch nicht frisiert, und sie hatte noch ihre Pantoffeln an, doch nach ein paar Schrecksekunden rannte sie los. Die Straßen waren bereits ziemlich belebt. Lehrlinge eilten zur Arbeit, Dienstmädchen mit Körben am Arm zum Einkaufen, herrenlose Hunde suchten im Rinnstein nach Eßbarem. Serafina spürte das Kopfsteinpflaster schmerzhaft hart durch ihre dünnen Sohlen. Sie rief Thomas' Namen, aber er drehte sich nicht um. Mit seinen langen Beinen kam er viel schneller voran als sie, aber schließlich holte sie ihn ein und packte ihn am Ellbogen. »Thomas!« flehte sie beschwörend.
    Endlich blieb er stehen und schaute auf sie hinunter. »Ich dachte, er wäre tot«, sagte er, und dann fügte er mit harter Stimme hinzu: »Sie sind sich ja offenbar recht nahe gekommen. Werden Sie ihn heiraten? Ich empfehle es Ihnen, Sie wären ein prächtiges Gespann.«
    »Angelo wird nicht zurückkommen«, antwortete sie.
    »Oh – Sie werden ihn schon umstimmen.« Thomas' Blick war eiskalt. So hatte sie ihn noch nie gesehen, nicht einmal bei ihren heftigsten Auseinandersetzungen. »Natürlich werden Sie ihn umstimmen, Sie erreichen doch immer alles, was Sie wollen.«
    Serafina ließ seinen Ellbogen los. Sie standen nah beieinander, doch ihre Körper berührten sich nicht. Sie versuchte, ihm klarzumachen, was sie selbst erst vor ein paar Stunden begriffen hatte: »Aber ich will ihn gar nicht, Thomas! Das ist mir heute nacht klargeworden. Ich habe Angelo überwunden, ich bin frei! Ich bin glücklich mit dem, was ich habe.«
    »Wie schön«, erwiderte er trocken. »Es ist erfreulich, daß wenigstens einer von uns glücklich ist.«
    »Ich will nicht Angelo, Thomas, ich will dich! »Zum ersten Mal sprach sie ihn in der Öffentlichkeit mit dem Vornamen an, ohne es beabsichtigt zu haben. »Ich liebe dich«, sagte sie. »Das weiß ich jetzt.« Ein Passant lächelte, als er hörte, wie eine Frau einem
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