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Serafinas später Sieg

Serafinas später Sieg

Titel: Serafinas später Sieg
Autoren: Judith Lennox
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um die Augen betrachtete. Ihre Mutter würde einen ganzen Becher Farbe brauchen, um dieses Gesicht der Öffentlichkeit präsentabel zu machen. »Mit Papas ganzem Gold«, setzte sie hinzu. »Er ist sehr wütend.«
    Es war diese Wut, die sie veranlaßt hatte, ihre Mutter aufzusuchen. Nur wenige Male hatte sie ihn in einer derartigen Verfassung erlebt, doch die Gefahr eines Ausbruchs war ständig gegenwärtig – wie bei einem tätigen Vulkan. Sie hatte sich ihr Leben lang dem Willen ihres Vaters gebeugt, um keinen Ausbruch heraufzubeschwören, aber jetzt hatte sie es satt. Giulia war aus dem Bett gestoben und hatte sich einen Morgenmantel übergeworfen. »Geh zu ihm«, sagte Fiametta. »Du kannst ihn doch immer besänftigen.«
    »Ja«, nickte ihre Mutter, aber ihre Stimme klang zweifelnd. Sie setzte sich an einen kleinen Tisch und begann, ihr rotgoldenes Haar zu bürsten. »Wie auch immer wegen deiner Zukunft brauchst du dir keine Sorgen zu machen, ich bin sicher, wir finden einen anderen Ehemann für dich. Ich war von vornherein der Meinung«, sie drehte ihre Haare zu einem Knoten zusammen und sprach undeutlich, weil sie den Mund voller Haarnadeln hatte, »daß dieser Angelo ein wenig zu … nun ja, er war eben ein Emporkömmling, nicht wahr?«
    »Ich werde niemals heiraten!« Fiametta strich sich eine sandfarbene Strähne aus dem Gesicht.
    Giulia nahm eine Hasenpfote aus einer Schale und begann, Puder aufzulegen. »Sei nicht albern, Liebes. Du hast gerade eine Enttäuschung erlebt, aber deshalb mußt du nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten. Er sah ja wirklich gut aus, doch ansonsten ließ er einiges zu wünschen übrig. Er ist es nicht wert, daß du dich seinetwegen grämst. Sobald bekannt wird, daß du wieder frei bist, werden die Bewerber an unserer Tür Schlange stehen.«
    »Ich gräme mich nicht wegen Signor Guardi«, erwiderte Fiametta und verknotete ihre sommersprossigen Finger ineinander. »Ich habe ihn verabscheut. Und ich werde niemand anderen heiraten. Ich verabscheue alle Männer.«
    Ihre Mutter drehte sich mit der Hasenpfote in der Hand zu ihrer Tochter um. »Liebes …«
    »Du mußt mich in ein Kloster eintreten lassen, Mama, und du mußt ihnen so viel Geld geben, daß ich eines Tages Äbtissin werden kann.«
    Giulia starrte sie einen Moment lang verdutzt an und brach dann in Gelächter aus. »Das ist das Lächerlichste, was ich je gehört habe! Weshalb sollte eine meiner Töchter ins Kloster gehen? Deine Mitgift ermöglicht dir eine gute Heirat, und außerdem« fügte sie hinzu, »wäre Papa außer sich. Das weißt du auch genau. Er will, daß du ihm Erben schenkst.«
    »Ich werde niemals heiraten«, wiederholte Fiametta. »Niemals! Und ich denke, du wirst mich bei Papa unterstützen. Stell dir doch nur vor, wie wütend er erst würde, wenn er von dir und dem jungen Frescobaldi erführe.« Giulia schnappte nach Luft und ließ die Hasenpfote in die Schale fallen. Süßliche Puderwolken stiegen auf.
    »Ich würde eine gute Äbtissin abgeben«, fuhr Fiametta ungerührt fort, »aber eine schlechte Ehefrau. Es liegt bei dir, Mama, aber ich könnte mir vorstellen, daß Papa dich tötet, wenn er von Signor Frescobaldi erfährt.«
    »Du heimtückisches Geschöpf!« keuchte Giulia. Mit zitternden Händen versuchte sie, wenigstens einen Teil des Puders in die Schale zurückzufegen. Obwohl sie seit ihrer Jungmädchenzeit das Erscheinungsbild der hilflosen Naiven pflegte, war sie eine praktisch denkende Frau. Nach kurzem Überlegen fragte sie: »Und wenn ich ihm mitteile, daß du Nonne werden willst, wird er mich nicht umbringen?«
    »Nein, das wird er nicht.« Fiametta, die in dem steifen rosafarbenen Brokatkleid noch ungelenker wirkte als sonst, steuerte auf die Tür zu. »Er hat ja noch Nencia, und die wird er bestimmt blendend verheiraten können. Du hast ihn doch immer zu allem überreden können, was dir am Herzen lag, und für eine kleine Weile wirst du es wohl auch weiterhin noch können«, fügte sie grausam hinzu. Damit verließ sie das Zimmer.
    Giulia schaute nachdenklich in den Spiegel. Lange. Dann stand sie auf und rief nach ihrer Zofe.
    Angelo kehrte in seine Geburtsstadt Marseille zurück, in Franco Guardis Haus, in Serafinas Haus – das einzige Zuhause, das er je gekannt hatte. Doch es schien ihm fremd. Er hatte Mühe, sich zu erinnern, wo welches Zimmer lag und in welchen Schränken und Schubladen sich welche Dinge befanden, und schließlich erkannte er, daß er alles mit Serafinas
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