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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt
Autoren: Cornelia Franz
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wenn das warme Wetter seinen müden Knochen guttat, humpelte er den Strand entlang und suchte nach Dingen, die die Wellen an Land gespült hatten. Einmal hatte er mit seinem Stock eine Hose aus dem flachen Wasser geangelt. Und in der Hosentasche einen Goldtaler gefunden. Tatsächlich! Aber den hatte er dem Strandvogt geben müssen. Denn Weglaufen war beim ollen Pidder natürlich nicht mehr drin gewesen.
    Nun lag das Boot also nutzlos am Strand und wartetenur darauf, dass es endlich mal wieder raus aufs Meer konnte. Wenn wir was finden, kriegt Pidder was ab, dachte Broder, während er die Steine aus dem Boot warf. Der hat’s nötiger als der reiche Strandvogt.
    Der Strandvogt wohnte in Rantum in einem richtigen Steinhaus. Er hatte spitze Schuhe und einen weiten Mantel und er war so dick, dass er bestimmt keine Ahnung davon hatte, was Hunger bedeutete. Zum Glück war er das! So einem Plumpssack wie ihm, dem konnte man immer entwischen, wenn es sein musste.
    Gemeinsam mit Jaike schob Broder das Boot über den Strand. Und wenig später tanzte es über die mannshohen Wellen in Richtung Sandbank. Jedes der Kinder hatte eines der hölzernen Ruder gepackt und zog es mit aller Kraft durchs Wasser.
    Jetzt waren sie nahe genug an Tades Eiland, um zu sehen, auf was sie da zusteuerten. Jaike richtete sich auf.
    »Eine Kiste! Eine richtige Schatzkiste!«, schrie sie.
    Broder sprang schon aus dem Wasser, noch bevor das Boot über den Sand schürfte.
    Und dann standen sie Seite an Seite vor der riesigen hölzernen Truhe. Fast unheimlich war ihnenzumute, als sie mit den Fingern über das schöne Eichenholz strichen.
    »Junge, Junge«, murmelte Broder. »Von so was hab ich immer geträumt.«
    Die Truhe war mit Eisenbeschlägen versehen, aber sie war nicht verschlossen. Jaike und Broder schauten sich wortlos an. Dann packten sie den schweren Deckel und hievten ihn hoch.
    Jaike war die Erste, die ihre Sprache wiederfand. »Herr im Himmel«, murmelte sie, bevor sie in die Truhe griff, um all die Kostbarkeiten Stück für Stück in die Hand zu nehmen.
    Feinste Stoffe aus Seide zog sie hervor, klitschnass, aber trotzdem wunderschön. Da waren ein blitzender Dolch mit einem Griff aus Elfenbein, ein ledernes Säckchen voll mit goldenen Talern und ein in glänzendes Ebenholz gefasster Spiegel. Ein Traum war das, ein Wunder, ein wahres Gottesgeschenk …
    Ehrfürchtig befühlten die Kinder diese Schätze. Sie spürten den Sturm und die Kälte nicht. Und sogar Broders nagender Hunger war wie weggepustet. Noch nie hatten sie solch kostbare Dinge gesehen.
    Doch dann schaute Broder auf und er sah etwas ganz anderes. Etwas, das blanke Wut in ihm aufwallen ließ.

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    Ein Loch auf Tades Eiland
    Broder ließ den Deckel der Truhe zufallen. »Verdammig!«, fluchte er. »Der Strandvogt!«
    Jetzt erst bemerkte er, dass der Regen nachgelassen hatte. Natürlich! Genau, wie er es vorausgesagt hatte, tauchte der dicke Strandvogt in dem Moment auf, wo das gröbste Unwetter vorbei war.
    Jaike wischte sich die nassen Strähnen aus dem Gesicht. »Ich will nicht alles an ihn abgeben«, murrte sie. »Ich will es einfach nicht!« Entschlossen kreuzte sie die Arme vor der Brust und starrte zu dem Vogt hinüber, der mit zwei anderen Männern am Meeressaum stand.
    Einer der drei rief ihnen etwas zu, aber das war natürlich nicht zu verstehen, so weit, wie sie vom Ufer entfernt waren.
    Grimmig zerrte Jaike an der Truhe. Doch sie bewegte sich keinen Fußbreit.
    »Vergiss es«, sagte Broder. »Auch wenn der Vogt nicht da wäre, würden wir die Kiste nicht behalten können. Wir kriegen sie nie im Leben von der Sandbankrunter. In ein paar Stunden ist Flut und dann wird sie weggespült.«
    »Ja, aber vielleicht zum Strand hin«, meinte Jaike trotzig.
    »Klar«, sagte Broder. »Und dann dem Dicken direkt in die Arme. Aber so lange wartet der nicht. Sieh nur!« Er nickte mit dem Kinn in Richtung Strand.
    Dort waren die Männer des Vogts damit beschäftigt, ein größeres Ruderboot über den nassen Sand zu schieben. Sogar der Vogt packte mit an.
    Jaike riss die Truhe auf. »Eher schmeiß ich alles ins Wasser, als dass der Vogt es kriegt, dieser hundsgemeine Kerl. Er hat uns noch nie unseren Anteil gegeben, wenn wir was gefunden haben. Er bricht das Gesetz und wir sollen uns daran halten.« Sie fing an, die Seide hervorzuzerren, und warf ein Bündel im hohen Bogen ins Meer.
    Doch da packte Broder ihren Arm. »Warte!«, rief er. »Wir kriegen schrecklichen Ärger.« Er
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