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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt
Autoren: Cornelia Franz
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wollte den Arm um Jaikes Schultern legen und sie trösten. In diesem Moment kam ihm eine Idee.
    »Jaike«, flüsterte er. »Wir werfen es nicht weg … Wir vergraben es.«
    Mit wenigen Worten erklärte er ihr seinen Plan. Eine halbe Minute später ging es los: Sie schabtenmit dem Dolch ein Loch in den nassen Sand von Tades Eiland. Tiefer und tiefer bohrten sie und gruben dann hastig mit den Händen weiter. So tief wurde das Loch, dass es auch bei Flut nicht unterspült werden würde.
    »Schnell«, meinte Jaike. »Die Männer kommen näher.«
    Broder schaute hoch. »Aber sie können nicht sehen, was wir machen«, sagte er und grinste. »Die Truhe und der Deckel versperren ihnen die Sicht.«
    Er griff in die Truhe, holte das Säckchen mit den Goldtalern heraus und ließ es in das frisch gebuddelte Loch fallen. Jaike legte den Spiegel obenauf und zum Schluss noch den Dolch. Dann schoben sie mit Händen und Füßen den Sand wieder in das Loch.
    »So ein Elend«, schimpfte Broder. »Jeder Blindfisch sieht, dass wir hier gegraben haben.«
    Jaike lachte. »Aber nicht mehr lange. In ein paar Minuten sind die ersten Wellen da. Die Flut kommt und wird alle Spuren verwischen.«
    »Ja, die Flut«, brummte Broder. »Und die Männer des Strandvogts. Lass uns zusehen, dass wir an Land rudern.«
    Sie liefen hinüber zu der Stelle, wo sie das Boot auf den Sand gezogen hatten. Es trieb bereits mitdem Heck im auflaufenden Wasser. Noch einmal sahen sie zurück, um sich die Stelle zu merken, an der sie ihren Schatz vergraben hatten. Würden sie ihn jemals wiederfinden? Auf Tades Eiland sah jeder Quadratmeter aus wie der andere. Wenn die Kiste nicht mehr da sein sollte, gab es nichts zur Orientierung.
    In dem Moment, da die Kinder ins Boot kletterten, ließen die Männer des Strandvogts ihr Boot nur zwei Meter entfernt auf Tades Eiland auflaufen.
    »He, ihr zwei. Was ist in der Truhe?«, rief der eine von ihnen und sprang in den Sand. Broder erkannte ihn als den langen Erik, der ihm schon ein paarmal Strandgut abgeknöpft hatte.
    »Ein Haufen Pferdeäppel«, antwortete Jaike. Mit aller Kraft legte sie sich in die Riemen.
    »Dir wird deine Frechheit schon vergehen«, lachte Erik grob. »Wenn ihr etwas mitgenommen habt, kriegt es eh der Vogt.«
    »Erst mal muss der Vogt
uns
kriegen!«, schrie Broder, während sie sich immer weiter von Erik und der Sandbank entfernten. »Der ist doch so fett, dass er im Sand einsinkt, wenn er versucht zu laufen.« Auch er lachte jetzt. Es war ein jubelndes Lachen. Sollte doch der Vogt die Seide behalten! Entweder er gabsie dem Amtmann des Grafen, wie es sich gehörte. Oder aber er ließ daraus für seine Frau Betttücher nähen. Ihm konnte es egal sein. Die wirklich kostbaren Dinge, an die kam er diesmal jedenfalls nicht.

    Broder richtete sich in dem Boot auf, sodass es heftig hin und her schwankte. »Bei uns gibt’s nichts zu holen!«, rief er den Männern zu, die jetzt mit schweren Schritten auf die Truhe zustapften.
    »Wir erwischen euch Rantumer Stranddiebeschon noch!«, rief Eriks Begleiter, den Broder und Jaike zunächst nicht erkannt hatten.
    Aber plötzlich wusste Broder, wer das war. Es war einer der Männer, die für den Landvogt arbeiteten. Broder verzog das Gesicht zu einem Lachen. Nun würde die Frau des Strandvogts leer ausgehen und weiterhin in Leinentüchern schlafen müssen. Denn die Seide bekam jetzt sicher der Landvogt.
    So ging es zu im Leben: Der Strandvogt arbeitete für den Landvogt. Und der Landvogt für den Amtmann. Und der Amtmann für den Grafen irgendwo in Schleswig. Und der Graf für den König. Und der König wahrscheinlich für den lieben Gott. Aber der war dieses eine Mal auf ihrer Seite! Das spürte Broder genauso deutlich wie den Hunger, der ihn plötzlich wieder packte.
    Kaum hatten sie Pidders Boot auf den Strand gezogen, kam der dicke Strandvogt angeschnauft. »Was ihr mir stehlt, stehlt ihr dem Grafen«, ächzte er. »Und irgendwann wird er höchstpersönlich über euch richten!«
    Broder lachte übermütig. »Der Herr Graf wird was Besseres zu tun haben!«, rief er. Dann fasste er Jaike bei der Hand und rannte dem schimpfenden Strandvogt davon.

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    Irrlichter
    Als Broder und Jaike endlich in der Kate vor ihren gebratenen Heringen saßen, war es draußen schon dunkel. Jaikes Mutter war nicht da. Sie arbeitete in den Salzbuden, wo man auch noch im Schein der Fackeln schuften konnte, wenn das Tageslicht nicht mehr ausreichte.
    Natürlich hatten die beiden Kinder
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