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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende
Autoren: Richard Matheson
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    An solch wolkenverhangenen Tagen wusste Robert Neville nie so genau, wann die Sonne unterging; manchmal waren s ie schon unterwegs, ehe er es nach Hause schaffte.
    Mit etwas mehr Überlegung hätte er zumindest die ungefähre Zeit ihrer Ankunft ausrechnen können, aber er gab die lebenslange Gewohnheit nicht auf, vom Himmel abzuschätzen, wann die Nacht hereinbrechen würde - nur funktionierte das eben nicht, wenn eine Wolkendecke den Himmel verbarg. Also zog er es vor, an solchen Tagen in der Nähe des Hauses zu bleiben.
    Mit einer Zigarette im Mundwinkel, von der der Rauch sich wie ein Faden über die Schulter zog, ging er im düsteren Grau des Nachmittags um das Haus herum. Er vergewisserte sich, dass der Bretterverschlag vor den Fenstern noch festsaß. Nach besonders schlimmen Angriffen waren einige der Planken oft gespalten oder losgerissen, dann musste er sie auswechseln - eine Arbeit, die ihm gar keinen Spaß machte. Heute war nur ein Brett locker. Erstaunlich, dachte er.
    Im Hinterhof sah er nach dem Treibhaus und dem Wassertank. Manchmal war der Aufbau um den Tank beschädigt, und die Regenrinnen waren verbogen oder abgebrochen. Hin und wieder warfen sie Steine über den hohen Zaun um das Treibhaus, dann konnte es schon vorkommen, dass das Schutznetz einriss, und die Folge war, dass er zumindest eine neue Scheibe einsetzen musste.
    Doch heute waren Tank und Treibhaus glücklicherweise unbeschädigt geblieben.
    Er ging ins Haus, um Hammer und Nägel zu holen. Beim Öffnen der Tür blickte ihm sein verzerrtes Ich aus dem gesprungenen Spiegel an, den er vor einem Monat an der Haustür befestigt hatte. In ein paar Tagen würden sich wahrscheinlich die gezackten Stücke zwischen den Sprüngen des silberbeschichteten Glases zu lösen beginnen. Sollen sie doch, dachte er. Das war der letzte verdammte Spiegel, er würde keinen mehr aufhängen, es war die Sache nicht wert. Stattdessen würde er Knoblauch verwenden. Knoblauch wirkte immer.
    Bedächtig schritt er durch die dämmerige Stille des Wohnzimmers, dann nach links in den kleinen Gang und wieder nach links in sein Schlafzimmer.
    Früher einmal war es gemütlich eingerichtet gewesen - früher: in einer ganz anderen Zeit. Jetzt war es ein rein funktioneller Raum. Da Nevilles Bett und Kleiderschrank so wenig Platz einnahmen, hatte er den Rest des Zimmers zur Werkstatt gemacht.
    Eine lange Werkbank nahm fast eine ganze Wandseite ein. Auf der Hartholzplatte standen bzw. lagen eine größere Bandsäge, eine Drechslerbank, eine Schleifscheibe und ein Schraubstock. Darüber, in einfachen Wandregalen, bewahrte Robert Neville sein viel benutztes Werkzeug auf.
    Er griff nach einem Hammer und kramte ein paar Nägel aus einer der nicht sehr ordentlichen Kleinteilladen. Damit kehrte er vors Haus zurück und nagelte das lockere Brett vor dem Fenster fest. Die übrig gebliebenen Nägel warf er auf den Trümmerhaufen des Nachbargrundstücks.
    Eine Weile blieb er auf der Rasenfläche vor dem Haus stehen und schaute nach beiden Seiten die stille Cimarron-Straße entlang. Neville war ein hoch gewachsener Mann, sechsunddreißig, von englisch-deutscher Abstammung, mit einem Gesicht, dem nur die breite entschlossene Mundpartie und das klare Blau der Augen seine Eigenheit verliehen.
    Sein Blick wanderte nun über die verkohlten Ruinen der Häuser links und rechts von seinem Domizil. Er hatte sie niedergebrannt, um zu verhindern, dass sie von einem Nachbardach auf seines springen konnten.
    Nach ein paar Minuten holte er noch einmal tief Luft und kehrte ins Haus zurück. Den Hammer warf er achtlos auf die Wohnzimmercouch, dann zündete er sich eine Zigarette an und gönnte sich seinen Vormittagsdrink.
    Später zwang er sich, den Abfall von fünf Tagen im Spülbecken in der Küche zu zerkleinern. Er sollte eigentlich auch die Papierteller und den anderen Kram verbrennen, die Möbel abstauben, Badewanne, Waschbecken und Toilette sauber machen und das Bettzeug wechseln, aber er hatte absolut keine Lust dazu.
    Schließlich war er ein Mann und allein, und dergleichen fand er nicht so wichtig.

    Fast Mittag. Robert Neville holte sich einen Korbvoll Knoblauch aus seinem Treibhaus.
    Anfangs hatte sein Magen sich beim Geruch von so viel Knoblauch umgedreht. Jetzt fiel er ihm kaum noch auf, denn alles roch nach Knoblauch: die Zimmer, seine ganze Kleidung, und er selbst ebenfalls.
    Als er genügend Knollen beisammen hatte, kehrte er ins Haus zurück und schüttete sie ins Abtropfsieb des
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