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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt
Autoren: Cornelia Franz
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kein anderes Thema als ihren Schatz. Was würden sie alles damit kaufen, wenn sie denn erst mal die Taler geborgen hätten … Ein paar anständige Schuhe, neue Kleider, Zucker und Gewürze und feines Mehl zum Kuchenbacken.
    »Wir könnten auch ein zweites Bettzeug kaufen«, meinte Broder und zeigte zu der Wolldecke hinüber, unter der er und Jaike nachts schliefen.
    Über Jaikes Gesicht huschte ein Schatten. Das hatte sie ganz vergessen! Sie sollte doch Broder etwas von der Mutter ausrichten.
    »Hör mal«, sagte sie zögernd. »Mutter meint, du musst dir einen anderen Schlafplatz suchen.«
    Broder sah auf. »Warum das denn?«
    Jaike schaute auf ihre schwieligen Hände. »Weil ich letzte Woche zwölf Jahre geworden bin. Und Mutter meint, da geziemt es sich nicht mehr, mit einem fremden Jungen zusammenzuliegen.«
    Broders helle Friesenaugen blitzten. »Ich bin doch kein Fremder!«
    Jetzt lächelte Jaike. »Nein, aber Mutter meint, in ein paar Jahren heiraten wir sowieso. Dann können wir wieder unter einer Decke schlafen.«
    »Pah!«, rief Broder und lief rot an. Das Thema war ihm peinlich. Erleichtert sprang er auf, weil es an der Tür klopfte.
    Es war der alte Pidder, der im selben Moment auch schon auf dem lehmigen Boden der Kate stand. Ohne auf eine Einladung zu warten, setzte er sich zu den Kindern auf die Bank und pickte sich einen Rest Hering auf. Dann begann er zu reden.
    »Der Sturm hält an«, sagte er. »Ich würd ja raus nach Hörnum, wenn ich noch könnte.« Er warf Broder einen schnellen Blick zu.
    »So, so, nach Hörnum«, antwortete Broder.
    Jaike stieß ihn unter dem Tisch mit dem Holzschuh an. Broder wusste, was sie damit sagen wollte. Fahr nicht raus, sollte das heißen. Das haben wirdoch jetzt nicht mehr nötig. Wir haben doch den Schatz.
    Pidder kaute bedächtig. Er hatte keinen einzigen Zahn mehr im Mund. Da musste man aufpassen, dass man keine allzu großen Brocken verschluckte.
    »Ich spür’s in den Knochen«, sagte er schließlich. »Heute Nacht lohnt es sich. Aber die meisten Männer haben Angst, weil der Landvogt da ist. Du auch?« Pidder blinzelte Broder listig an.
    Der Junge seufzte. Nee, Angst hatte er nicht vor dem Vogt. Das hatte er ja wohl vorhin bewiesen. Aber er hatte keine große Lust, noch mal rauszumüssen in der Dunkelheit.
    Doch Pidder war fast so etwas wie ein Großvater für ihn. Und er hatte dem Alten versprochen, für ihn nach Hörnum rauszufahren, an die Südspitze der Insel. Dorthin, wo die Schiffe am ehesten strandeten. Vor allem, wenn ein bisschen nachgeholfen wurde …
    Irrlichter setzen. Bis jetzt war Broder noch nicht dabei gewesen, wenn die Fischer loszogen, um falsche Markierungen auf den Sandbänken auszusetzen. Auch beim Plündern hatte er noch nicht mitgemacht. Und er riss sich auch nicht darum, denn nicht selten ging es dabei blutig zu. Manch einer der armen Teufel, deren Schiff auf Grund gelaufen war,versuchte, den rettenden Strand zu erreichen. Doch dann wurde er einfach erschlagen, damit er die Strandräuber nicht anzeigen konnte.
    Die Männer von Rantum waren nicht grausamer als die Männer anderswo. So war das nun mal, wennman sich und seine Familie durch raue Zeiten bringen musste.

    Pidder legte Broder seine schwere Hand auf den Arm. »Was is nu?«, fragte er. »Die Männer warten.«
    Broder nickte. »Ich hab’s versprochen.«
    »Dann lauf man zu.« Schwerfällig stand Pidder auf. »Ich schick noch Thiess zum Boot. Bei dem Seegang muss man zu zweit sein.«
    Da stand auch Jaike auf.
» Ich
kann mit Broder fahren«, sagte sie.
    Der alte Pidder griente. »Du?«
    Jaike streckte ihren starken Rücken. »Jawohl. Ich hab zweimal mehr Kraft als der pirksige Thiess.«
    Der Fischer wiegte den Kopf hin und her. »Von mir aus …«
    Jaike strahlte. »Danke, Pidder.« Sie nahm einen Beutel und füllte ihn mit Brot.
    Kurz darauf liefen die beiden los. Der Sturm hatte sich gelegt. Aber Pidder hatte recht. Er würde wieder aufbrausen. Wenn sie Glück hatten, waren sie unten an der Südspitze und konnten noch in Ruhe die Irrlichter zur Sandbank rausbringen, bevor das Unwetter sich erneut zusammenbraute.
    Als sie an den Salzbuden vorbeikamen, blieb Broder stehen. »Willst du nicht deiner Mutter Bescheidgeben? Sie sorgt sich sonst, wenn du heute Nacht nicht da bist.«
    Jaike schüttelte den Kopf. »Die sorgt sich nicht. Seit Vater nicht mehr lebt, scheint ihr alles egal zu sein. Schwermütig ist sie geworden, das weißt du doch.«
    Genau wie Broder hatte auch Jaike
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