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Seeraeuber vor Sylt

Titel: Seeraeuber vor Sylt
Autoren: Cornelia Franz
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Bord des Ewers kletterten, waren die beiden Seeleute nicht zu sehen. Sie hockten bei Pidder und Ouwe am Strand und ließen sich von dem Schiffskoch über Rasmus Rohlfs erzählen. Wie viele Menschen in Friesland fürchteten und verehrten sie die Piraten gleichermaßen. Waren das nicht mutige Männer? Sie gaben sich nicht mit dem armseligen Leben eines Fischers zufrieden, sondern holten sich ihren Teil von den reichen Kaufleuten. Auch Pidder konnte gar nicht genug Piratengeschichten hören.
    Jaike und Broder wollten gleich zu den vieren hinüberlaufen, aber Gerhard zögerte.
    »Wartet!«, sagte er und kniete mit seinen feinen langen Strümpfen auf den Decksplanken des Ewers nieder. »Ich habe hier etwas glitzern sehen.«
    Neugierig verfolgten die beiden anderen, wie Gerhard vorsichtig eine Perle aufhob, die neben einemaufgerollten Tau lag. Auf seiner flach ausgestreckten Hand hielt er sie Jaike und Broder entgegen.
    »Das ist meine«, sagte er und sah Broder mit großen Augen an. »Die hat mir meine Mutter geschenkt. Ich trage sie immer an einer Kette.« Er fasste sich an den Hals.
    Plötzlich wurde er blass und biss sich auf die Unterlippe. »Nein«, sagte er leise. »Das stimmt nicht. Ich habe sie meinem Vater mitgegeben, als wir uns trennen mussten. Bevor er in das Ruderboot gestiegen ist. Die Perle sollte ihm Glück bringen.«
    Die Kinder sahen sich an.
    »Das ist der Beweis«, sagte Broder. »Dein Vater hat es an Land geschafft. Er muss deinen Onkel getroffen haben.«
    Gerhard stieg die Zornesröte ins Gesicht. »Ja!«, stieß er hervor. »Die Burg meines Onkels ist von der Küste aus schnell zu erreichen. Wahrscheinlich ist mein Vater als Erstes bei ihm gewesen – aber weiter scheint er dann nicht gekommen zu sein! Gütiger Gott, mein Onkel hat seinen Halbbruder schon immer gehasst!«
    Jaike starrte Gerhard an. »Jetzt wird mir einiges klar«, flüsterte sie. »Dein Onkel ist der Auftraggeber der Piraten …«
    Erschrocken schaute der Grafensohn hoch. »Da! Sie kommen«, stammelte er. »Mein Onkel hat mich sicher schon vermisst.«
    Auch Broder und Jaike sahen jetzt die drei Männer, die die Hafenmole entlanggingen.
    »Umso besser«, meinte Broder. »Dann kann der Vogt ihn gleich verhaften. Er wird schon aus ihm rauspressen, was er mit deinem Vater gemacht hat.«
    Jaike sprang von Bord auf den Steg. »Ich hole den Steuermann!«, rief sie. »Er soll erzählen, dass er die Seemänner lebend gesehen hat.«
    Broder bestürmte den jungen Grafen. »He! Jetzt brauchst du nicht mit deinem Onkel zu fahren. Du kannst bei uns auf der Insel bleiben!«
    »Ich bin kein Fischerssohn, Broder«, antwortete Gerhard. »Und ich möchte endlich zu meiner Mutter zurück.« Er seufzte. »Wenn Vater wirklich tot ist, dann warten viele Aufgaben auf mich. Ich bin doch sein Nachfolger.«
    Über Broders Gesicht huschte ein Schatten. Natürlich, wie hatte er das vergessen können? Ein Graf und ein armer Torfstecher – die konnten nicht auf ewig Freunde sein.
    Gerhard schien seine Gedanken erraten zu haben. »Ich werde euch nie im Leben vergessen, dich undJaike«, sagte er, »ganz egal, was auch geschieht.« Voller Wärme sah er Broder an.
    Doch dann kniff er plötzlich die Lippen zusammen: Die drei Herren waren jetzt am Ewer angelangt. Ohne sich seine Worte vorher zu überlegen, schleuderte Gerhard den Vögten seinen Verdacht entgegen. »Mein Vater ist gar nicht ertrunken! Er muss es bis zu meinem Onkel geschafft haben!« Mit ausgestrecktem Finger zeigte er auf seinen Onkel. »Er hat meinen Vater auf dem Gewissen!«
    Entsetzt starrten die Vögte zu dem aufgebrachten Grafensohn hinüber, der geradezu tollkühn von Bord des Ewers auf den Anleger sprang. Hatte der den Verstand verloren? Und wieso hielt dieser Broderbengel triumphierend eine große Perle in die Luft und schrie ununterbrochen: »Das ist der Beweis!«?
    »Lügner! Haderlumpen!«, brüllte der Herr von Oldenburg mit hochrotem Kopf. »Hört nicht auf ihr Geschwätz!«
    Jetzt kamen auch noch der Steuermann des Ewers und Jaike angerannt, gefolgt von Pidder und dem Matrosen. »Das Boot mit dem Herrn Grafen ist nicht untergegangen!«, rief Jaike und wedelte wie wild mit den Armen in der Luft herum. »Der hohe Herr ist schuld! Ihr müsst ihn verhaften!«
    Weil auch noch Broder auf den Landesteg sprang und sich die beiden Vögte darum rissen, die Perle zu begutachten, entstand ein Tumult auf dem Anleger. Gerhards Onkel nutzte die Gelegenheit, sich hinter dem Rücken des dicken
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