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Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz

Titel: Remes; Ilkka - 5 - Höllensturz
Autoren: Ilkka Remes
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ERSTER TEIL
1
    Vom windstillen Himmel schwebten die Schneeflocken auf den blutdurchtränkten Schlamm hinab. Karri hielt das Messer unsicher umklammert und setzte es am Rand der aufgeschnittenen Speiseröhre des Elchkalbs an. Er hatte das Gefühl, sich gleich übergeben zu müssen, aber er ließ sich nichts anmerken. Das Blut, das auf die Erde rann, sah in der zunehmenden Dämmerung fast schwarz aus.
    »Du musst die Klinge am Brustbein entlangführen«, sagte Launo mit heiserer Stimme und zog nervös an seiner Zigarette. »Schnell.«
    Das Gesicht des Fünfzigjährigen war vor Anstrengung dunkelrot, und seine Alkoholfahne roch man meterweit.
    Er hatte den Hals von der Spitze des Brustbeins bis zur Kehle bereits aufgeschnitten, die großen Blutgefäße, die vom Herzen ausgingen, durchtrennt und dabei das Blut in eine Flasche gefüllt, um später daraus Pfannkuchen zu backen.
    Nun zeigte er Karri, wie man die Haut aufschnitt: »Du musst den Dickdarm abtrennen. Aber pass auf, dass du das Bratfleisch nicht mit Scheiße versaust.«
    Intuitiv sprachen sie leise. Der Darm in Karris Händen fühlte sich an wie warme Luftballons. Die Rolle des Lehrjungen gefiel ihm nicht, er war es gewohnt, selbst Anweisungen zu geben, nicht, sie zu befolgen. Die verkehrte Konstellation spiegelte sich auch in ihrer Ausrüstung wider: Karri trug wasserfeste Lederstiefel von Parkano , einen GoreTex-Anzug , der nicht raschelte, und eine Jagdmütze von Halti ; Launo gewöhnliche Nokia -Gummistiefel, Lodenhosen, eine Jägerjacke und eine verschossene, orangefarbene Wollmütze. Kopfbedeckungen in leuchtenden Farben gehörten zur Hasenjagd, und auf der befanden sie sich offiziell. Die orangefarbenen Elchwesten hatten sie zu Hause gelassen.
    Karri erschrak, als sich am Rande der Lichtung eine dunkle Gestalt näherte, aber es war nur Tomi in seinem Tarnanzug aus festem, grünem Stoff. Er hatte eine Grube ausgehoben, in der sie nun die inneren Organe und Gedärme verscharrten. Das Herz schob Launo in eine Plastiktüte.
    »Tempo«, drängelte Tomi, als Launo einen Knoten in das dicke orangefarbene Nylonseil machte, das um den Hals des Kalbs geschlungen war.
    Daran zogen sie den toten Körper durch das Preiselbeergestrüpp, das von einer dünnen Schneeschicht überzogen war.
    »Wir lassen es hier liegen und holen das Auto«, flüsterte Tomi, als sie den Forstweg erreichten. Er war ein großgewachsener Mann und strotzte nach dem erfolgreichen Abschuss nur so vor Aggression.
    »Auf keinen Fall«, schnaubte Launo, der einen Kopf kleiner war. »Was denkst du dir! Mit dem Wagen kommt mir keiner bis hierher.«
    »Hört auf mit dem Gequatsche! Weiter!«, befahl Karri.
    Launo räusperte sich geräuschvoll und spuckte aus. Sein fast kugelförmiger Kopf und das ungepflegte Bartbüschel am Kinn ließen ihn aussehen wie ein betrunkener Kobold. Karri fürchtete plötzlich, der kleine Mann könnte vor Anstrengung einen Herzinfarkt bekommen. Ihm fiel auf, dass Tomi zwar vor sich hin fluchte, aber darauf verzichtete, weiter mit Launo zu streiten. Normalerweise kümmerte sich Tomi nicht um die Meinung anderer, aber was die Wilderei betraf, war Launo Kohonen ein alter Fuchs, dessen Ratschläge man besser befolgte. Denn auf Wildern stand eine empfindliche Strafe. Karri gab sich Mühe, nicht an die strafrechtlichen Folgen zu denken.
    Nachdem sie den Tierkörper hundert Meter vom Forstweg weggeschafft hatten, war es bereits so dunkel, dass man ohne den schneeweißen Schleier über dem Gelände nichts mehr gesehen hätte. Im Wald war es still – fast so, als brächten die langsam herabschwebenden Flocken auch den geringsten Ton zum Schweigen.
    Tomi ging den Wagen holen, und Launo zündete sich mit zittrigen Fingern eine Zigarette an. Im Licht des Feuerzeugs bemerkte Karri, dass Launos vorherige Röte einer unnatürlichen Blässe gewichen war.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Karri leise.
    »Wieso?« Launo zog gierig an seiner Zigarette. »Ich hab bloß einen kleinen Kater.«
    Launos heisere, atemlose Stimme klang in Karris Ohren nicht sonderlich überzeugend.
    Tomis alter Landcruiser näherte sich ohne Licht. Die Männer luden das tote Tier in den mit Plastikfolie ausgelegten Kofferraum und fuhren los.
    Der Schnee fiel nun dichter, die Scheibenwischer mussten dicke Flocken von der Windschutzscheibe schaufeln. Karri sah Tomi an, dass der die Herausforderung genoss, die ihm die schlechten Straßenverhältnisse boten. Tomi fuhr schnell und sicher, er hatte das Fahrzeug fest unter
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