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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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Hendrik feixte. «Wie all deine Freundinnen. Sie hat bekommen, was sie wollte.»
    «Ich glaube nicht, dass sie
das
wollte», sagte Liz tonlos, mehr zu sich selbst, als zu Hendrik.
    «O doch, sie hat vollkommen freiwillig die Beine für mich breit gemacht. Sie konnte es gar nicht erwarten.»
    Liz zuckte zusammen wie unter einem Schlag. Sie brachte es nicht fertig, Hendrik in die Augen zu sehen, starrte stattdessen auf die Kanister. «Und jetzt bin ich dran?»
    Hendrik rieb sich die Hände. «Das gibt ein Freudenfeuer!» Er beugte sich vor, schraubte den Deckel des ersten Kanisters auf und ließ ihn achtlos fallen.
    Er schien nicht zu befürchten, dass Liz versuchen könnte, ihn zu überwältigen – und er hatte recht. Liz stand da wie ein Lamm, das sich wehrlos zur Schlachtbank führen ließ.
    Als der Deckel zu Boden fiel und unter den Tisch rollte, hörte Liz ein Geräusch, das aus dem oberen Stockwerk zu kommen schien. Eine Art Klopfen. Stadler! Er war also im Haus, mehr noch, er war am Leben und bei Bewusstsein.
    Hendrik hatte das Geräusch auch gehört. Er deutete mit dem Daumen nach oben. «Dein Freund wird langsam unruhig.»
    «Du hast versprochen, ihn freizulassen, wenn ich allein komme», erinnerte Liz ihn, ohne Hoffnung, damit etwas zu bewirken.
    «Habe ich das?», Hendrik schlug sich vor die Stirn. «Da habe ich dich wohl angelogen.» In gespieltem Bedauern verzog er das Gesicht. «Passiert mir leider immer wieder. Eine dumme Angewohnheit.» Er beugte sich vor und schraubte den nächsten Deckel ab. Dann versetzte er dem Kanister einen Fußtritt, sodass er umkippte. Sofort war das Zimmer von ätzenden Benzindämpfen erfüllt.
    Liz kämpfte gegen die innere Taubheit an, die ihre Glieder lähmte.
Setz dich in Bewegung! Du bist erwachsen. Hendrik hat keine Macht mehr über dich.
    Doch ihr Körper gehorchte ihr nicht.
    Hendrik beugte sich über einen weiteren Kanister, hielt jedoch plötzlich inne und schaute zu Liz hoch, ein siegessicheres Blitzen in den Augen. «Ich wusste, dass ich mich auf dich verlassen kann, Schwesterherz. Du bist
mein
Mädchen. Du und ich, wir sind aus demselben Holz geschnitzt.»
    Jede Silbe durchfuhr Liz wie eine Messerklinge. Gleichzeitig spürte sie, wie sie im Sog von Hendriks Worten endgültig zu versinken drohte. Vielleicht stimmte, was er sagte. Vielleicht war sie ihm tatsächlich ähnlicher, als sie immer gedacht hatte. War sie nicht auf ihre Art ebenso schuld an dem, was geschehen war? Trug sie nicht genauso die Verantwortung? Ein tröstender Gedanke kam ihr: Wenn sie heute hier mit ihm starb, wäre endlich alles vorbei. Für immer.
    Hendrik beugte sich wieder über den Kanister. So würde es also enden. Hendrik und sie in ihrem alten Zuhause, im Tod vereint. Liz schloss die Augen, bereit, das Unvermeidliche über sich ergehen zu lassen.
    Plötzlich gellte ein markerschütternder Schrei durch das Haus. Liz riss erschrocken die Augen auf.
    Hendrik ließ den Deckel fallen, den er gerade abgeschraubt hatte. «Verflucht! Was war das?» Er machte einige Schritte auf die Tür zu und horchte.
    Wieder ertönte ein Schrei.
    Mit einem Mal wurde Liz klar, was geschehen war. Ihr Handy. Deborah. Verrückte, wunderbare Deborah! Von einer Sekunde auf die andere verwandelte sich ihre Todessehnsucht in unbändige Wut.
    Nein, ich bin nicht wie du, Hendrik! Und ich werde nicht mit dir sterben!
    Sie griff nach einer schweren Glasvase, trat hinter ihren Bruder und schlug sie ihm über den Schädel.
    Er stöhnte auf und sank zusammen.
    Für einige Sekunden war Liz ganz benommen. Es war so einfach gewesen. Zu einfach. So als wäre es Teil seines Plans.
    Da ertönte aus dem oberen Stockwerk erneut das Klopfen und riss Liz aus ihrer Erstarrung. Sie rannte aus dem Wohnzimmer und stürmte die Treppe hoch in den ersten Stock. Das Klopfen war jetzt deutlich zu hören. Es kam aus dem Raum, der früher das Schlafzimmer ihrer Eltern gewesen war.
    Liz stieß die Tür auf und atmete erleichtert auf, als sie Georg Stadler erblickte. Er hatte eine Platzwunde an der Schläfe, schien aber ansonsten unverletzt. Liz löste den Knebel aus seinem Mund.
    «Wo ist Hendrik?», fragte Stadler sofort.
    «Unten im Wohnzimmer. Ich habe ihn mit einer Vase niedergeschlagen, aber ich weiß nicht, wie lange das vorhält. Außerdem ist er allein mit zwölf bis zum Rand gefüllten Benzinkanistern.»
    «Verflucht.» Stadler deutete mit dem Kinn auf seine gefesselten Hände. «Hast du eine Schere oder ein Messer dabei?»
    «Nein, aber
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