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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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hier? Hätte ich mir denken können. Keine Sehnsucht nach deinem Bruder. Dir geht es einzig und allein um diesen abgewrackten Weiberhelden. Liz, meine Kleine, ich hätte dir wirklich einen besseren Geschmack zugetraut.» Er schüttelte den Kopf. «Dumme kleine Liz.»
    «Stadler ist mir gleichgültig», log Liz, bemüht, ihre Scharte auszuwetzen. «Aber mit ihm hast du einen Fehler gemacht. Einen Bullen zu entführen ist völlig schwachsinnig. Die gesamte Polizei von NRW wird hinter dir her sein.»
    «Ach wirklich?» Hendrik zog spöttisch die Augenbrauen hoch. «Davon habe ich gar nichts gemerkt, als diese blonde Schnitte eine Woche lang in meiner Obhut war.»
    «Sie hat im Präsidium angerufen und Sonderurlaub beantragt», wandte Liz ein.
    «
Ich
habe angerufen und Sonderurlaub beantragt.» Er legte die Hand ans Ohr, als würde er telefonieren und sprach mit beklemmend echt klingender weiblicher Stimme. «Es gab einen Trauerfall in der Familie. Völlig unerwartet. Ich kann nicht zum Dienst kommen. Ich brauche ein paar Tage Sonderurlaub.»
    Liz erschrak. Obwohl ihr längst klar war, mit welch zynischer Gleichgültigkeit ihr Bruder mit dem Leben anderer Menschen spielte, war es etwas anderes, es hautnah zu erleben. Schnell lenkte sie ein. «Lass uns nicht streiten, Hendrik. Wir sollten versuchen, einen Weg zu finden, die Sache vernünftig zu beenden. Du bist mein Bruder, ich will dich nicht verlieren.»
    Hendrik lachte laut auf. «Hast du es denn noch immer nicht kapiert? Die Sache ist bereits zu Ende, Schätzchen. Du hast längst verloren. Niemand wird dieses Haus lebend verlassen. Wir haben es gemeinsam begonnen, und wir beenden es gemeinsam.»
    Liz sah ihn entsetzt an. «Was meinst du damit? Was haben wir gemeinsam begonnen?» Ihr lief die Zeit davon. Bald würde die Polizei das Haus stürmen, und sie drang einfach nicht zu Hendrik durch.
    «Du hast mir doch deine süßen Freundinnen vorgestellt und mir den Mund wässerig gemacht. Was hast du denn geglaubt, was passieren würde, wenn diese Mädchen halbnackt vor mir durch den Garten springen?»
    Liz wurde übel. Sie wollte etwas erwidern, das Gespräch in eine andere Richtung lenken, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken.
    «Und dann hast du mir die Rasierklinge ins Gefängnis geschmuggelt. Das war echt süß von dir. Hast du wirklich geglaubt, ich würde mich umbringen?»
    «Aber du wolltest es doch, und ich dachte …» Liz presste die linke Hand auf ihren Magen und klammerte sich mit der rechten an die Arbeitsplatte. Hendrik hatte sie eiskalt erwischt. Nach all den Jahren kannte er sie noch immer besser als sie sich selbst. «Ich gebe zu, dass ich mich getäuscht habe.»
    «Hast du nicht. Du wusstest genau, was ich vorhatte.»
    «Das ist nicht wahr!», stammelte Liz niedergeschmettert. Wie konnte er das von ihr denken!
    Er schlug ihr mit der flachen Hand ins Gesicht. «Lüg nicht! Ich hasse es, wenn ihr Schlampen einen auf unschuldig macht.»
    Liz berührte die brennende Wange mit der Hand. Ungläubig starrte sie ihren Bruder an. Seit Jahren hatte sie sich nicht mehr so klein und dumm gefühlt. «Warum tust du das? Ich erkenne dich nicht wieder, Hendrik. Was ist nur mit dir geschehen?»
    Er trat näher, strich mit einem Finger behutsam über ihre Lippen, fuhr sanft über ihren Hals, bevor er unvermittelt eine Haarsträhne in ihrem Nacken packte und sie ruckartig zu sich zog, bis ihre Gesichter sich fast berührten.
    Vor Schmerz schossen ihr die Tränen in die Augen, doch sie hielt seinem Blick stand.
    «Frag nicht, was geschehen ist, Schwesterlein, frag lieber, was noch geschehen wird.»
    «Und was wird geschehen?», flüsterte sie mit belegter Stimme.
    Hendrik lächelte. «Komm mit, ich zeige es dir.»

Dienstag, 5. November, 11:21 Uhr
    Georg Stadler versuchte, sich auf die Geräusche zu konzentrieren, die aus der Küche kamen. Er hörte zwei verschiedene Stimmen, doch er konnte unmöglich erkennen, ob eine davon Liz gehörte. Hoffentlich war sie nicht auf den Trick ihres Bruders hereingefallen und allein hergekommen! Hendrik Vermeeren hatte nicht vor, irgendjemanden am Leben zu lassen, am allerwenigsten seine Schwester.
    Stadler zerrte an seinen Fesseln. Was war er doch für ein Idiot! Er hatte sich überrumpeln lassen wie ein Amateur. Als er gestern spät abends nach Hause zurückgekehrt war, todmüde, ausgelaugt und noch wütend, weil er den Fall mit Maulkorb und angezogener Handbremse bearbeiten sollte, hatte er sich nichts dabei gedacht, dass das
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