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Schwesterlein, komm stirb mit mir

Schwesterlein, komm stirb mit mir

Titel: Schwesterlein, komm stirb mit mir
Autoren: Karen Sander
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    Sechzehn Jahre später
    Dienstag, 8. Oktober, 11:00 Uhr
    Die Wohngegend galt als exklusiv, die Häuser waren schick, die Limousinen, die in den Einfahrten parkten, schwarz und teuer. Doch der Tod war hier genauso hässlich wie überall. Vielleicht sogar ein bisschen hässlicher. Georg Stadler parkte den Dienstwagen in zweiter Reihe und ging auf den Eingang von Nummer vierzehn zu. Schon im Treppenhaus schlug ihm der bestialische Gestank entgegen. Es war nicht der typische, süßlich-metallische Geruch nach Blut, sondern etwas anderes, etwas absolut Widerwärtiges. Die Ausdünstungen der Hölle. Stadler wappnete sich innerlich für den Anblick, der ihn erwartete, bevor er über die Schwelle in die Wohnung trat.
    Linda Franke von der Kriminaltechnik bemerkte ihn als Erste.
    «Ich hoffe, dein Magen ist stabil», sagte sie statt einer Begrüßung. Sie war blasser als sonst, ihre Wangen hatten fast die gleiche Farbe wie ihr weißblonder Pferdeschwanz. «Das da drinnen ist echt übel.»
    «Wenn du das sagst.» Stadler fischte einen der Schutzanzüge aus einem Karton und stieg hinein.
    «Kannste mir glauben», bestätigte Linda. «Olli hat gekotzt, und eins von den Streifenhörnchen musste sogar vom Notarzt behandelt werden.»
    «So schlimm?»
    Linda versuchte zu lächeln, was gründlich misslang. Gewöhnlich flirtete sie schamlos mit ihm, und er hatte schon mehrfach mit dem Gedanken gespielt, ihr Angebot anzunehmen. Aber er hatte seine eiserne Regel, nichts mit Kolleginnen anzufangen, einmal gebrochen, und das Ergebnis war katastrophal gewesen. Auf einen zweiten Versuch verzichtete er lieber. Auch wenn die süße Linda ihm noch so schöne Augen machte. Außerdem war sie weitaus jünger als die Frauen, die er sonst abschleppte.
    Er seufzte. «Was haben wir?»
    Linda, die sein Seufzen offenbar fehldeutete, sah ihn mitfühlend an. «Weibliche Leiche. Vermutlich die Wohnungseigentümerin. Sie liegt im Wohnzimmer. Ziemlich übel zugerichtet.» Sie zuckte mit den Schultern. «Man könnte meinen, Jack the Ripper sei von den Toten auferstanden.»
    Stadler hob die Augenbrauen. «Jack the Ripper?»
    «Schau’s dir selbst an.»
    Er schob sich an ihr vorbei durch die Wohnzimmertür. Der Gestank war hier so intensiv, dass es ihm fast den Atem raubte. Er zwang sich, nicht darauf zu achten und den Tatort in sich aufzunehmen. Zuerst sah er nur die gegenüberliegende Wand. Sie war weiß gestrichen, ein weiß lackiertes Klavier stand davor. Beides war mit braunroten Flecken übersät, die sich wie Fontänen über den hellen Untergrund ergossen. Auch die Decke war braunrot gesprenkelt, ebenso das Bücherregal an der angrenzenden Wand.
    Einer der Kollegen, der auf dem Boden kniete, erhob sich und gab den Blick auf die Leiche frei.
    Stadler rang nach Luft. «Ach, du Scheiße», murmelte er.
    Behutsam trat er näher. Die Frau lag auf dem Rücken, die Beine gespreizt. Sie trug einen offenen Morgenmantel und einen einzelnen Hausschuh, sonst nichts. Der Täter hatte ihr die Halsschlagader durchtrennt. Das erklärte das viele Blut an den Wänden. Doch sein Opfer einfach nur verbluten zu lassen, hatte ihm offensichtlich nicht genügt. Unzählige Male hatte er auf die Frau eingestochen. Stichwunden bedeckten den Brustbereich und die Schultern. Ob er auf den Unterleib ebenfalls eingestochen hatte, war nicht zu erkennen, denn hier klaffte eine riesige offene Wunde. Der Mörder hatte den Bauch seines Opfers mit einem einzigen langen Schnitt aufgeschlitzt. Die Organe lagen bloß, eine Darmschlinge wand sich aus dem Bauchraum und bedeckte die Scham der Frau.
    Linda trat neben Stadler. «Was für ein Scheißkerl tut so etwas?», fragte sie leise.
    Stadler antwortete nicht. Er kniff die Augen zusammen. Der Anblick der Toten hatte eine Erinnerung in ihm geweckt. Nicht die an Bilder von Jack the Rippers Opfern, die er irgendwann mal bei einer Fortbildung zu Gesicht bekommen hatte. Nein, die Bilder, die er meinte, waren neueren Datums. Und sie sahen denen hier verdammt ähnlich. Doch er konnte sich nicht erinnern, in welchem Zusammenhang das gewesen war.
    «Was wissen wir?», fragte er Linda.
    «Ihr Name ist Leonore Talmeier. Sie war Rechtsanwältin. Verheiratet. Keine Kinder. Ihr Mann ist im Ausland. Wir haben ihn noch nicht erreicht.»
    Stadler wandte sich ab. Er hatte genug gesehen. Im Flur fragte er weiter, während er aus dem Anzug schlüpfte. «Habt ihr mit den Nachbarn gesprochen? Hat jemand was bemerkt?»
    Linda zog die
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